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heute in Bremen„Bruch mit Traditionen“

Empowerment Jonas Engelmann über Aneignung von Kampfbegriffen in der jüdischen Popkultur

Jonas Engelmann

39, ist Literaturwissenschaftler, Autor und Verleger mit Schwerpunkt auf Popkultur. Er promovierte über Gesellschaftsbilder im Comic.

taz: Herr Engelmann, Ihr Buch „Wurzellose Kosmopoliten“ ist eine Spurensuche in der jüdischen Popkultur – was haben Sie gefunden?

Jonas Engelmann: Durch die jüdische Kulturgeschichte ziehen sich bestimme Bilder wie unterirdische Linien. Der Golem ist solch ein Bild, eine Figur aus der jüdischen Mystik und Beschützer der jüdischen Gemeinde in Prag. Er findet sich u. a. im Superman wieder. Auch ein Beschützer, der nicht zufällig von zwei Juden in den 1930ern erfunden wurde – im Angesicht des Nationalsozialismus in Deutschland. Ein anderes Bild ist der Luftmensch.

Den Sie implizit im Titel aufgreifen. „Wurzellose Kosmopoliten“ hieß auch Stalins Kampagne gegen Juden und Jüdinnen in der Sowjetunion, hat also einen antisemitischen Ursprung.

Der Begriff des wurzellosen Kosmopoliten wurde von jüdischer Seite aufgegriffen und umkonnotiert. Und darum geht es auch im Buch: wie jüdische Künstler sich Symbole und Bilder aneignen, die sie diskreditieren. Der Begriff des Luftmenschen ist auch so ein Bild. Ursprünglich eine Selbstbeschreibung umherziehender Juden auf der Suche nach Arbeit, eines Lebens von der Hand in den Mund, von Luft, wurde er irgendwann gegen sie verwendet. Das vermeintliche heimat- und wurzellose Leben osteuropäischer Juden war immer schon Nährboden für antisemitische Ressentiments.

Auf Ihrer Spurensuche fanden Sie also auch ein politisches Programm?

Bereits die Malerei von Marc Chagall kann als Aneignungsstrategie verstanden werden. Viele seiner Figuren schweben – sind also entwurzelt, leiden aber nicht darunter. Großflächig findet sich diese Bewegung dann in der Popkultur, die dafür einen günstigen Rahmen bietet. Denn Popkultur ist ein Spiel mit Identitäten und ein Bruch mit Traditionen. Hier findet eine Selbstermächtigung statt: Antisemitische Bezeichnungen gegenüber Juden und Jüdinnen werden umkodiert. Zugleich wird ein Raum geschaffen, in dem die eigene Identität gestaltbar wird, ganz unabhängig von Religiosität, Gesellschaft oder Nationalität.

Mit Israel besitzt die jüdische Gemeinde aber auch einen festen Ort, wird der übersehen?

Mein Fokus liegt auf jüdische KünstlerInnen in der Diaspora, wo Juden und Jüdinnen eine Minderheit sind. Ich habe daher bewusst Israel ausgeklammert, da dort ganz andere Bilder das kulturelle Schaffen prägen.

Interview Florian Schlittgen

20.30, Vortrag, Galerie K’, Alexanderstraße 9b

Buch:„Wurzellose Kosmopoliten – von ­Luftmenschen, Golems und jüdischer Popkultur“, Ventil Verlag, 12 Euro

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