Warum Frauen beim Finanzamt draufzahlen

GLEICHBERECHTIGUNG Bevorzugt das deutsche Steuerrecht die Männer? Und was kann man dagegen tun? WissenschaftlerInnen und JuristInnen aus Deutschland und Österreich berieten sich dazu in Berlin

In Österreich haben alle Parteien zugestimmt, den Haushalt ab 2013 zu „gendern“

BERLIN taz | Steuern steuern eine Gesellschaft – aber wohin? Jedenfalls nicht in Richtung mehr Gleichberechtigung, befürchtet die Friedrich-Ebert-Stiftung und lud deshalb Ende vergangener Woche zu einer Tagung in Berlin.

Frauen zahlen oft unverhältnismäßig hohe Steuern. Das liegt zum großen Teil am Ehegattensplitting, bei dem die oft unterschiedlich hohen Einkommen von Mann und Frau zusammengeworfen, durch zwei geteilt und dann versteuert werden. Daher zahlt die oft weniger verdienende Frau für einen höheren Betrag Steuern. Steuervergünstigungen nutzen ihnen dagegen sehr viel weniger als Männern. Die Juristin Ulrike Spangenberg vom Institut für gleichstellungsorientierte Prozesse und Strategien zeigte etwa, dass von der steuerfreien betrieblichen Altersvorsorge, der sogenannten Eichel-Rente, Männer stärker profitieren. Bis zu 4.400 Euro an Beiträgen bleiben steuerfrei. In einen entsprechenden Pensionsfonds zahlen aber doppelt so viele Männer ein wie Frauen. Sie sind oft in besser organisierten Branchen beschäftigt, in denen Gewerkschaften für die Altersvorsorge kämpfen – und sie arbeiten öfter in Großbetrieben, die eine eigene Betriebsrente anbieten.

Das klingt wie: Pech gehabt, Frauen. Ihr seid halt in den falschen Branchen. Spangenberg betont, dass das Grundgesetz allerdings etwas anderes vorsieht: In Artikel 3, Absatz 2 steht: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Spangenberg argumentiert, dass hier eine mittelbare Diskriminierung vorliege, Frauen und Männer also gleich behandelt würden, obwohl die Auswirkungen dieser Behandlung die Geschlechter unterschiedlich treffen. Und, so ihre Lesart, das darf der Staat nicht. „Er könnte stattdessen branchenübergreifende Pensionsfonds anbieten“, so einer ihrer Vorschläge.

Auch die Methode, Vergünstigungen von dem zu versteuernden Einkommen abzuziehen und nicht von der Steuerschuld, sei ungerecht. Denn durch diesem Abzug, der das Einkommen quasi verkleinert, rutscht man in der Steuerprogression ein Stück nach unten – und zahlt weniger Steuern. Dieser „Reflex der Progression“ kommt den Besserverdienenden zugute, weil ihre Steuerersparnis wegen der Progression höher ist – und das sind häufiger Männer als Frauen.

Lerke Osterloh, Ex-Verfassungsrichterin, dämpfte den Elan etwas: Zwar seien diese Sachverhalte durchaus als „mittelbare Diskriminierung“ anzusehen. „Aber ist die auch unzulässig?“, fragte die Richterin a. D. und meinte, dass die Vorwürfe wahrscheinlich zu global seien. Sie riet eher dazu, besondere Klauseln für Frauen einzuführen. Diese Art, Ungleiches ungleich zu behandeln, sei einfacher einzuführen und vom Gesetz gedeckt.

Wie kommt man von der Theorie in die Praxis? Da zeigte sich: Lobbying hilft. In Österreich, das ab 2013 seinen kompletten Etat und seine Gesetzesvorhaben nach Geschlechtern aufschlüsseln will, hat eine Gruppe von WissenschaftlerInnen und AktivistInnen, die „Watchgroup Gender und Öffentliche Finanzen“, Politik und Verwaltung mit Fachwissen bombardiert. Schließlich stimmten alle Parteien inklusive FPÖ zu, den Haushalt zu „gendern“. „Eine formelle Erfolgsgeschichte“, so die Ökonomin Elisabeth Klatzer von der Wirtschaftsuniversität Wien, um gleich darauf zu konstatieren: „Aber substanziell ist noch nichts herausgekommen.“

Dies bestätigte Elfriede Fritz aus dem österreichischen Finanzministerium. Dort wurde eine „Solidarabgabe“ auf Sonderbezüge von Spitzenverdienern, die meistens Männer sind, als Erfüllung des Gender-Zieles 2013 gepriesen. Kleiner Haken: Die Solidarabgabe gibt es schon seit langem, sie wurde nun nur als Genderziel umgelabelt.

Auch Ulrich Mückenberger, Arbeitsrechtler von der Uni Bremen, der einen Gender-Prozess in Deutschland verfolgt hat, stellt fest: „Es gibt eine Diskrepanz zwischen deliberativen Prozessen und Macht.“ Mit anderen Worten: Es reden zwar ein paar Leute über die Gender-Frage. Aber wenn es zur Umsetzung kommt, ist das Thema plötzlich verschwunden. Deshalb heißt es auch in Deutschland bisher unter jedem Gesetz: „Es sind keine Auswirkungen erkennbar, die gleichstellungspolitischen Zielen zuwiderlaufen.“ An der Tiefe dieser Erkenntnis kann offenbar noch gearbeitet werden.

HEIDE OESTREICH