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Archiv-Artikel

„EU-Staaten als Schlümpfe“

VORTRAG Medienwissenschaftler über Unterschiede chinesischer und deutscher Nachrichten-Bilder

Von jpb
Peter Ludes

■ 62, ist Professor für Medienwissenschaft an der Jacobs University. Er hat 1997 die medienkritische Initiative „Nachrichtenaufkärung“ mitgegründet.

taz: Herr Ludes, wie hätten Sie die Nachricht vom Hurricane „Sandy“ dargestellt?

Peter Ludes: Gezeigt wurde ja zurecht die Zerstörbarkeit einer Metropole wie New York, die Verwundbarkeit einer Großstadt und damit auch der Großmacht USA. International erinnerten die viele Bilder an Katastrophen-Filme aus Hollywood.

Sie haben untersucht, wie Journalisten in China, Deutschland, den USA und Brasilien auf die Ereignisse eines Jahres zurückblicken. Gibt es überhaupt Unterschiede?

Vor zehn Jahren waren in den Jahresrückblicken überhaupt nur ein oder zwei Themen identisch. 2008 etwa standen die Finanzkrise, die Olympischen Spiele und die Wahl Obamas im gemeinsamen Fokus. Aber ein Erdbeben, bei dem in China 80.000 Menschen starben, wurde außerhalb Chinas nicht erwähnt. Selbst bei gleichen Bildern waren die Inhalte doch sehr unterschiedlich.

Inwiefern?

Der Irak-Krieg etwa wurde in Deutschland als vermeidbar beschrieben, gegen den Politiker und Demonstranten angingen, in den USA war er eine unvermeidliche, heroische Schlacht. Im chinesischen Staatsfernsehen wird die EU als zerstritten und schwach dargestellt. Etwa im Umgang mit der Finanzkrise wurden die EU-Staaten als Schlümpfe dargestellt – im Gegensatz zur chinesischen Staatsführung, die fast alle Katastrophen meistern kann.

Staatspropaganda eben…

Ich denke, die JournalistInnen sind sich dessen bewusst und es baut sich ein gemeinsames Unbehagen dagegen auf. Es gibt die Chance zum demokratischen Umbruch, viel mehr Menschen können dort erkennen, was ausgeblendet wird, und Inhalte sind im Internet internationaler und ironischer.

Aber es wird eben ausgiebig zensiert…

Ausblendungen gibt es allerdings auch bei uns. Die Journalisten haben kaum noch Zeit, komplexe Zusammenhänge, wie die globale Finanzkrise, aufzudecken. Das ist nicht systematisch und manipulativ, sondern folgt Ressortdenken und Zeitzwängen, aber es trägt dennoch zu Verschleierung bei. Interview: jpb

19.30 Uhr, Arbeitnehmerkammer