Dipl.-Psych. Billigkraft ackert in Kliniken oft umsonst

SEELE Therapeuten in Ausbildung demonstrieren gegen fehlende oder niedrige Bezahlung

In den Kliniken mangelt es nicht an therapeutischem Nachwuchs

BERLIN taz | Die Studentin war vor Angst erstarrt, als sie in die Berliner Klinik kam. Katharina Röpcke nahm die junge Frau auf, führte mir ihr Gespräche. „Ich war für fünf Patienten zuständig“, erzählt Röpcke, 36-jährige Psychotherapeutin in Ausbildung. Die angehenden Therapeuten werden in den Kliniken oft als vollwertige Arbeitskräfte eingesetzt – aber entweder gar nicht oder nur sehr gering bezahlt.

400 Euro brutto monatlich bekam Röpcke für ihren therapeutischen Job in der Klinik. Das ist lachhaft, wenn man bedenkt, welche Tagessätze Kliniken bei den Kassen abrechnen. Daher rufen die „Psychotherapeuten in Ausbildung“, die sogenannten PiAs, am Mittwoch in mehreren deutschen Städten zusammen mit etlichen Psychotherapeutenverbänden erneut zum Protest gegen die niedrige Bezahlung auf (www.piaportal.de).

„Wir brauchen klare gesetzliche Regelungen, damit endlich eine angemessene Vergütung festgeschrieben wird“, sagt Röpcke, Aktivistin bei der Initiative „PiA für gerechte Bedingungen“. Die Proteste werden von 13 psychotherapeutischen Verbänden und der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di unterstützt.

Damit eine Psychologin nach dem Studium approbierte Therapeutin werden kann, sind mindestens drei Ausbildungsjahre nötig. Die hohen Kosten an den Lehrinstituten für eine therapeutische Ausbildung von 20.000 Euro und mehr müssen privat bezahlt werden. Das Geld dafür kriegen die jungen Diplom-Psychologen nur teilweise wieder herein, wenn sie in der letzten Ausbildungsphase unter Supervision schon Patienten behandeln dürfen.

Etwa 1.800 Arbeitsstunden in Kliniken gehören zur Ausbildung. Mit den Vergütungen dort lässt sich aber kein Lebensunterhalt sichern. „Oft ist es die Familie, die finanziell einspringt“, sagt Ariadne Sartorius, im Vorstand des Bundesverbandes der Vertragspsychotherapeuten (bvvp) zuständig für den Nachwuchs.

Bei Röpcke stockte das Jobcenter das Minisalär auf, doch das ist eine Ausnahme. „Viele arbeiten neben der Ausbildung, entweder in Beratungsstellen, in der Einzelfallhilfe, aber auch in Büros oder Cafés“ erzählt Röpcke.

Da das Psychologiestudium sehr beliebt ist, herrscht am Nachwuchs jedoch kein Mangel. Für die Kliniken gelten die schätzungsweise rund 10.000 „Pias“, von denen 80 Prozent Frauen sind, als Auszubildende. Das Klinikunternehmen Vivantes möchte die Vergütungen der Psychotherapeuten in Ausbildung jetzt trotzdem „anheben“, erklärte eine Sprecherin auf Nachfrage der taz, ohne genauere Zahlen zu nennen.

Die Demonstranten fordern am Mittwoch außerdem, dass der Master-Abschluss in Psychologie künftig als einheitliche Voraussetzung gelten soll, um eine therapeutische Ausbildung zu beginnen. Einige Bundesländer akzeptieren für die Ausbildung zum Kindertherapeuten schon den Bachelor-Abschluss. Diese regionale Ungleichbehandlung sei ein „unhaltbarer Zustand“, sagte Sartorius.

Beim Bundesgesundheitsministerium arbeitet man an einer Novelle des Psychotherapeutengesetzes. Dabei geht es auch um die Ausbildungsmodalitäten. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe tage, aber „Details stehen noch nicht fest“, sagte ein Ministeriumssprecher der taz.

BARBARA DRIBBUSCH