Bart statt Glitzerbikini

Karneval der Kulturen Halbnackte Frauen in exotischer Kleidung? Das Bild vom Karneval wird auch bestimmt durch die Bilder, die wir zeigen. Deshalb zur Abwechslung ein paar jecke Männer

Von Alke Wierth
(Text) undKarsten Thielker (Fotos)

Was zeigt uns der Karneval der Kulturen, welche Bilder liefert und erzeugt er? Die Antwort auf diese Fragen liegt nicht allein „im Auge des Betrachters“, also des Zuschauers beim Karnevalsumzug. Sondern auch darin, welche Abbildungen des Festes immer wieder Verbreitung finden.

Sucht man im Internet, in Zeitungen, Zeitschriften oder Reiseprospekten, auch in Fotoarchiven nach Bildern des Multikultispektakels, stößt man vor allem auf ein Motiv: ein Frauenkörper, meist im Glitzerbikini, vollbusig, schlank, gebräunt – eine Sambatänzerin, den Kopf im Federschmuck. Exotisch und sexy, sexistisch und exotisierend.

Sonia de Oliveira, die mit ihrer Sambaschule fast von Anfang an beim Karneval dabei ist – die BZ nannte sie die „Karnevalskönigin“ –, genießt – und beklagt das seit Langem. Oft ist es ihr Gesicht, ihr Körper, der auf den Fotos zu sehen ist. Sie sei „eine Art Phantom“, sagte de Oliveira vergangenes Jahr im taz-Interview: das „Gesicht des Karnevals“ – doch ihren Namen kenne niemand, ebenso wenig die Arbeit, die hinter den Auftritten steckt.

Einmal im Jahr dürfen Berlins EinwanderInnen auf der Straße tanzen, doch ansonsten werden sie kaum positiv wahr- geschweige denn ernst genommen: Solche Kritik ist seit Jahren (nicht nur) von MigrantInnen zu hören. Erfüllt das 1996 als Reaktion auf rassistische Ausschreitungen wie die in Rostock und Hoyerswerda, auf Brandanschläge auf türkeistämmige Familien wie in Solingen und Mölln ins Leben gerufene Fest noch seinen Anspruch, gegen Rassismus und Nationalismus zu wirken? Oder reproduziert der Karneval, der mittlerweile jährlich Hunderttausende BesucherInnen anzieht, selbst Stereotype und Rassismen?

Ja: „So ha’ick se jern!“, grölte es vor einigen Jahren aus einer Gruppe junger weißer Männer, als im Karnevalsumzug Hula-Tänzerinnen vorbeikamen. Im Bastrock, mit Blumen im Haar ist die Eingewanderte eine Augenfreude – als Arbeitskollegin oder Nachbarin unerwünscht.

Nein: weil der Karneval immer noch auch politisch ist, viele Gruppen sich dort mit ihren gesellschaftlichen Anliegen präsentieren – und das längst nicht mehr nach ethnischer Herkunft sortiert. Und nochmal nein, weil auch die, die sich mit Folklore, Trachten und Tänzen aus den Herkunftsländern ihrer Familien dort zeigen, dies deshalb tun, weil es ihnen wichtig ist.

Der Karneval ist in Größe und Bedeutung das geworden, was anderswo Volksfest heißt. Hier müsste er, nein, nicht „Völkerfest“, sondern Fest der Bevölkerung heißen – und das ist für eine Stadt wie Berlin kein schlechtes.

Straßenumzug am Sonntag, 12.30 Uhr ab Hermannplatz, mehr Infos: karneval-berlin.de