Kein Dialog mit der Regierung

Die Zapatistas im mexikanischen Chiapas wollen mit Parteipolitik nichts mehr zu tun haben und planen mit anderen Linken eine landesweite Kampagne von unten

LA GARRUCHA taz ■ Das Angebot kam in einem verschlossenen Umschlag, handgeschrieben: Der Chiapas-Friedensbeauftragte der mexikanischen Regierung, Luis H. Álvarez, hat am vergangenen Samstag dem Sprachrohr des zapatistischen Befreiungsheeres, Subcomandante Marcos, ein Geheimtreffen angeboten. Marcos lehnte den Vorschlag ebenso ab wie jegliche Zusammenarbeit mit politischen Parteien. Am Sonntag erklärte Álvarez, er habe mit dem Rebellenchef über die Situation in den zapatistischen Gemeinden und die politische Initiative der EZLN sprechen wollen.

Das Schreiben wurde am vergangenen Wochenende bei einem Treffen der Zapatisten mit linken Organisationen aus ganz Mexiko überreicht. Die Aufständischen starteten in der autonomen Gemeinde La Garrucha ihre „Andere Kampagne“, eine antikapitalistische Alternative zur Parteipolitik. Ab Januar 2006 werden die Zapatisten durch Mexiko reisen, um sich mit linken Organisationen zu vernetzen.

Dabei tolerieren sie „andere Formen des Kampfes“, wie Marcos sich ausdrückte. Ausgeschlossen von der Toleranz: alle, die etwas mit der Regierung zu tun haben. Nachdem Marcos am Samstag den geheimnisvollen Umschlag erhalten hatte, wandte er sich an die über 2.000 Besucher des Treffens und berichtete von dem Angebot. „Die Antwort ist natürlich nein.“

Ablehnung der Parteipolitik hatten die Zapatisten schon oft ausgedrückt: In der „Sexta“, der „Sechsten Erklärung aus dem Lakandonischen Urwald“, die die Grundlage für die „Andere Kampagne“ bildet, lässt Marcos kein gutes Haar an der etablierten Politik. Die alte Staatspartei PRI: Verbrecher. Die Regierungspartei PAN: Heuchler, die den unter den letzten PRI-Regierungen gestarteten Ausverkauf Mexikos an ausländische Multis vorangetrieben haben. Und die linksliberale PRD mit dem aussichtsreichen Präsidentschaftskandidaten Andrés Manuel López Obrador: Verräter. Für ihn hatte Marcos nur noch den Stinkefinger übrig.

Linke Intellektuelle warfen dem vermummten Pfeiferaucher vor, die Linke zu spalten und dadurch bei den Präsidentschaftswahlen im Juli 2006 der PAN und der PRI Vorteile zu verschaffen. Den Zapatisten ist der Ausgang der Wahlen allerdings egal. Marcos’ einzige Empfehlung: „Wählt, was ihr wollt“. Ändern werde sich sowieso nichts.

Die Alternative der Zapatisten zum mexikanischen Parteienzirkus strebt daher nicht nach Macht und Ämtern. Sie soll basisdemokratisch von unten entstehen – wie, darüber wurde am Wochenende in La Garrucha viel diskutiert. Fest steht: Marcos wird reisen und zuhören. Im Gegensatz zu den Präsidentschaftskandidaten, die Versprechen machen und T-Shirts verschenken. Eine weitere Strategie: Vernetzung. Alle 725 mexikanischen Organisationen, die sich der „Sexta“ angeschlossen haben, werden künftig über E-Mail in Kontakt sein, um zu wissen, was die anderen wann tun, und um mit ihnen zusammenzuarbeiten. So können sich Frauenkooperativen aus Mexiko-Stadt mit autonomen Gemeinden aus Oaxaca austauschen.

DINAH STRATENWERTH