Berliner Szenen: Auf dem Bolzplatz
Tor für Spanien
Nach einer halben Stunde ist Fup mit dem Umsortieren seiner „Nexo Knights“-Karten fertig. „Ich hab jetzt neun Ultras und eine Limmi“, sagt er begeistert. Ein Festtag, den er angemessen begeht, indem er die Karten nach einem neuen System in seiner Sammelmappe anordnet.
Ich bewundere den Fleiß und die Konzentration, die er für diese Tätigkeit aufbringt. „Guck, hier“, sagt Fup und hält mir seine Mappe vor die Nase. „Nein“, sage ich, „interessiert mich nicht.“ Es fällt mir leicht, kein Interesse zu heucheln. Würde ich das tun, wäre ich ganz schnell eine Menge Geld los, das er mir aus den Rippen leiern würde. Ich weiß das noch vom letzten Mal, als er Fußballbildchen sammelte und Star-Wars-Karten.
„Aber du hast doch auch mal Karten gesammelt, als du noch klein warst“, sagt Fup. „Ja, aber nicht so einen Scheiß“, sage ich. „Lass uns lieber raus auf den Spielplatz.“ Fup zieht Leggins mit Tigermuster an und ein Spanien-Trikot mit der Nummer 10. Auf dem Bolzplatz sind sein Kumpel Vicco und ein paar andere Jungs und spielen Fußball im Sand. Sand hat den Vorteil, dass man immer weich fällt. Gerade für Jubelposen ist Sand optimal. Fup zieht seine Schuhe aus und stürzt sich ins Getümmel. Dann kommt er angerannt und fragt: „Wer hat die Nummer 10?“ „Fàbregas“, sage ich. Fup lässt sich im Sand auf die Knie fallen, reißt die Arme hoch und schreit: „Und wieder hat Fàbregas ein Tor geschossen!“ Dann kommt er wieder angerannt. „Gegen wen spielt Spanien?“, fragt er. „Na ja, zum Beispiel gegen Frankreich und Italien“, sage ich. „Nein, ich meine, gegen doofe Mannschaften.“ Ich sage: „Deutschland …“ „Ja, gegen Deutschland“, schreit er. „… oder Holland.“ Er stürzt sich wieder in den Sand. „Tor gegen Holland! Fàbregas hat drei Tore geschossen. Und noch eins. 2:0 gegen Holland. Fàbregas!“
Ich weiß gar nicht, ob Fàbregas noch für Spanien spielt.
Klaus Bittermann
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