Schreiben mit links

DISKUSSION lm Literaturforum im Brecht-Haus sprachen Autoren darüber, was eigentlich literarisch „links“ heißt. Dabei wollten sie sich alle durchaus politisch links positionieren, ohne deswegen gleich „linke Autoren“ zu sein

Es geht darum, nicht in die Falle der Gefälligkeit zu tapsen

VON DETLEF KUHLBRODT

Eine Weile wurde das Literaturforum im Brecht-Haus repariert, und die Veranstaltungen fanden im Exil am Festungsgraben statt. Nun ist man wieder zurück an der Chausseestraße gleich mit schwierigen Fragen: In einer dreitägigen Veranstaltungsreihe versucht man im Literaturforum zu ergründen, was linke Literatur war oder ist. Weil einem die Frage im Haus wohl selbst ein bisschen komisch vorkommt, hat man das „linke“ in Anführungszeichen gesetzt und der Reihe einen seltsamen Titel gegeben: „Writing [Left] Tage“.

Es begann am Mittwochabend mit einem sehr gut besuchten und von der ehemaligen taz-Chefredakteurin, Roman- und Spiegel-Autorin Elke Schmitter geleiteten Podiumsgespräch, an dem die Schriftsteller Kathrin Röggla, Michael Wildenhain, Enno Stahl und Raul Zelik teilnahmen.

Zunächst fragte Elke Schmitter, wann es denn so mit dem Linkssein bei den Autoren auf dem Podium angefangen hatte. Der seit Juli dieses Jahres in der Linkspartei organisierte Michael Wildenhain ergriff das Wort und berichtete von den Kreuzberger Krawallen, die bei ihm den Wunsch entstehen ließen, auch mal ein Haus zu besetzen. Gesagt, getan, und nicht lange danach entstand sein einflussreiches Erstlingsbuch „zum beispiel k.“, in dem er nicht nur seine eigenen Hausbesetzungserfahrungen zu schildern versucht hatte.

Kathrin Röggla, 1971 geboren, also 14 Jahre jünger als Wildenhain, erzählte vom „starren Herrschaftsraum“, der ihr in ihrer Salzburger Jugend begegnete. Und von Wackersdorf, ihrem ersten „Politisierungsmoment“. Wackersdorf im Oberpfälzischen sollte die zentrale Wiederaufbereitungsanlage für abgebrannte Brennstäbe in Deutschland werden. Mitte der 80er Jahre protestierten viele Menschen dagegen. Die Anlage wurde nie fertiggestellt. Röggla engagierte sich fortan in der Studentenvertretung und der autonomen Szene, war auf vielen Demos, fühlte sich dabei aber doch eher als Außenseiterin, und als ihr auf einer feministischen Veranstaltung bei b-books vor allem radikale Professorentöchter begegneten, kam sie ins Grübeln.

Der 1962 geborene Enno Stahl wuchs in „behüteten Verhältnissen“ in Moers auf und wurde bei einer Hausbesetzung in seiner Heimatstadt „politisiert“. Ein Haus sollte abgerissen werden. Junge Leute zogen los, es zu besetzen. Als sie dann im Haus waren, begann aber erst einmal eine lange Diskussion. Man erörterte, ob es sich um eine symbolische oder eine echte Besetzung handle. Überlegte, „was tun?“ Alles sei ganz schrecklich gewesen, und nach einer Dreiviertelstunde ging der junge Stahl wieder.

Raul Zelik (Jahrgang 1968) schließlich, der seit 2010 auch als Professor für Politikwissenschaften an der Nationaluniversität Kolumbiens in Medellín lehrt, erzählte aus der Münchner Schulzeit, in der man noch schöne Debatten inszenieren konnte, und erinnerte an den internationalen Blick. Mit 15 war er in El-Salvador- und Nicaragua-Soligruppen, mit 17 mit einer Brigade in Nicaragua. Seine politische Sozialisierung war also im Ausland gelaufen.

Reihum ging es dann weiter. Ein wirkliches Gespräch wollte sich nicht so recht ergeben.

Wie Meinung durch die Wirklichkeit ins Wanken kommt

Was das Linkssein nun mit dem Schreiben zu tun habe? Wildenhain war es darum gegangen, die Nichtverhandler unter den Hausbesetzern angemessen zu repräsentieren. Röggla sprach über die „Machtmechanismen der Sprache“, den Wunsch zu verstehen, wie Gesellschaft funktioniere, erzählte, wie Meinung durch die Wirklichkeit ins Wanken komme und wie sie über Risikomanager recherchierte. Zelik berichtete von dem Druck, der entsteht, wenn man Sachen ungerecht findet, dem Schreiben, mit dem man diesen Druck verarbeitet; es ginge darum, sich den Boden wegzuarbeiten, auf dem man steht, und nicht in die „Falle der Gefälligkeit“ zu tapsen. Elke Schmitter, der man anmerkte, dass sie „links“ als Kategorie für Literatur für Blödsinn hält, verließ ab und an ihre Moderatorenposition und wollte auch mitreden.

Wie erwartet, kam man nicht so recht voran. Spätesten nachdem alle Anwesenden erklärt hatten, dass sie zwar links seien, ihnen aber das Etikett „linker Autor“ nicht so zusagt, merkte man Elke Schmitter an, dass sie die Veranstaltung doch sehr nervte. Nach ziemlich exakt 90 Minuten machte sie dann Schluss.

Man war auch ein bisschen erleichtert. Es war nämlich etwas warm gewesen, da die bereits bezahlte Belüftungsanlage im Brecht-Haus nicht fertig geworden war.

Am Rande der Veranstaltung stand der linke Verbrecher-Verlags-Verleger Jörg Sundermeier (der sich dann am Donnerstag mit der ehemaligen Rotbuch-Lektorin Gabriele Dietze und dem Merve-Verleger Tom Lamberty fragte, was linke Verlage sind). Und erzählte lachend von seiner Utopie einer linken Verlagsstadt nach dem Vorbild von Eisenhüttenstadt mit Stechuhren für Autoren und gemeinsamen Wasch- und Frühstücksräumen.

■ Zum Abschluss der Writing [Left] Tage im Literaturforum im Brecht-Haus lesen und sprechen heute Jan Böttcher, Tanja Dückers, Jochen Schmidt und andere über „Links, rechts, geradeaus. Lust und Last politischer Kategorien“. Chausseestraße 125, 20 Uhr. 5/3 Euro