: „Der Kopf wird frischer“
Henning Harnisch analysiert den überraschenden Erfolg der deutschen Basketballnational- mannschaft bei der Europameisterschaft in Serbien-Montenegro. „Das ist ein Phänomen“, sagt er
INTERVIEW MARKUS VÖLKER
taz: Herr Harnisch, haben Sie den Einzug ins Finale verfolgt?
Henning Harnisch: Ja klar, sogar zusammen mit Svetislav Pesic. Alba spielt gerade ein Turnier in Braunschweig. Da ist Pesics Team Lottomatica Rom auch dabei.
Wie hat er es aufgenommen, dass sein Sohn Marko im EM-Endspiel gegen Griechenland steht (bei Redaktionsschluss noch nicht beendet)?
Er hat das sehr emotional verfolgt. Er war genauso dabei wie wir. Ist ja klar – als ehemaliger deutscher Nationaltrainer (und Coach beim deutschen EM-Erfolg 1993 im Finale gegen Russland, d. Red.). Das war schon eine sehr witzige Runde. Auch Henrik Dettmann hat mitgeguckt, also noch ein ehemaliger Nationalcoach.
Das Desaster der vergangenen EM in Schweden wird durch diese Turnierleistung aufgearbeitet, sehen Sie das ähnlich?
Mit solchen Urteilen sollte man vorsichtig sein. Das war kein Desaster. Man sieht bei den aktuellen EM-Spielen, wie knapp das ist. Die Deutschen waren vor zwei Jahren nicht wirklich schlecht. Damals desaströs und heute wunderbar – so einfach ist es nicht. Es hätte in Serbien auch anders laufen können. In der europäischen Spitze sind nicht nur zwei, drei Mannschaften, sondern zehn, zwölf.
Dennoch tritt das DBB-Team im Vergleich zur vergangenen EM ganz anders auf. Es zeigt engagierten Teambasketball, und Dirk Nowitzki spielt stark.
Die große Qualität der Mannschaft liegt darin, dass der Stamm nach europäischen Maßstäben irre lang zusammen ist – seit 2001. Sie wurden damals EM-Vierter, ein Jahr später WM-Dritter. Und die nicht so ganz erfolgreiche letzte EM hat die Mannschaft noch stärker gemacht. Dieses Team hat eine lange Reise hinter sich. Die wird nun belohnt.
Wie kommt es, dass die DBB-Auswahl bei dieser EM stets in die Außenseiterrolle gedrängt worden ist?
Das ist ein Phänomen. Letztlich hat es mit dem Ansehen des deutschen Basketballs zu tun. Wir sind nicht Litauen, Serbien oder Italien. Wir sind immer noch kein klassisches Basketball-Land. Dennoch gehört das deutsche Team zu den zwei stärksten Mannschaften des EM-Turniers. Und man kann den Erfolg nicht nur auf Dirk Nowitzki reduzieren. Andere haben auch NBA-Stars, aber nicht diesen Teamgeist.
In der Liga wurde die Ausländerregel gelockert, wird es dadurch Probleme geben, das Niveau zu halten?
Welche Probleme?
Pesic hat noch keinen Vertrag. Denis Wucherer musste nach Belgien ausweichen.
Wucherer hat ein sehr gutes Angebot bekommen. So einfach ist das nicht. Deutsche Spieler haben einen fundierten Marktwert. Sooo viele deutsche Spieler können sich deutsche Klubs nicht leisten. Für Bonn beispielsweise ist ein Mithat Demirel zu teuer. Berlin hat ihm ein Angebot gemacht, aber Mithat hat es abgelehnt. Jetzt spielt er in Istanbul. Das freut mich.
Freut es Sie auch, dass Basketball in Deutschland wieder zum Ereignis wird, zumindest in diesen Tagen?
Wenn man eine Fernsehwoche wachsender Basketball-Begeisterung hinter sich hat, ist das für diese Sportart einfach wunderschön. Da kann man für die nächsten Monate Schwung mitnehmen.
Gibt es eine Verbindung zwischen dem EM-Sieg 1993 und dem aktuellen Finaleinzug?
Wir hatten andere historische Bedingungen. Aber es gibt Ähnlichkeiten. Auch wir waren eine Mannschaft, die sich zusammen eingespielt hat, die durch viele Täler gegangen ist. Wir waren eine verschworene Einheit und sind immer dran geblieben. Das scheint jetzt auch so zu sein.
Und die Unterschiede?
Wir hatten keinen Dirk Nowitzki, also einen Spieler, der nicht zu halten ist.
Was wird aus diesem Turnier für den deutschen Basketball resultieren?
Na ja, man spürt, dass neue Energie da ist. Aber ich frage mich, wie wir die nutzen können.
Was heißt das?
Im Mittelpunkt steht doch: Wie lässt sich Energie in Fortschritt verwandeln? Journalisten mögen diesen Prozess ja beschwören, aber das ist erst einmal eine reine Hypothese. Wenn jetzt wieder gefordert werden wird, es müsse zu einem Mehr an Basketball kommen, dann würden mich konkrete Vorschläge interessieren, auch der Journalisten.
Haben Sie denn keine?
Es gibt nicht den großen Masterplan. Jeder Klub für sich steht in der Verantwortung. Sportliche Erfolge dieser Art haben immerhin einen großen Symbolwert. So etwas hilft. Der Kopf wird frischer.