: Schicht im Kombinat
Nach dem 2:1 gegen Leverkusen will Werder das richtige Verhältnis zwischen Ästhetik und Effektivität finden
BREMEN taz ■ Mitte der ersten Halbzeit traten sie plötzlich wieder in Erscheinung – Bremens selbstzerstörerische Kräfte. Leverkusens Marko Babic flankte, der einschussbereite Dimitar Berbatov wartete. Doch so plötzlich wie die Erinnerung an die Niederlage in Gladbach aufblitzte, so schnell war der Spuk auch schon wieder vorbei. Bremens Innenverteidiger Naldo traf bei seiner Rettungsaktion nur den eigenen Pfosten und nicht das eigene Tor – wie Frank Baumann am vergangenen Dienstag bei der 1:2-Niederlage in Mönchengladbach.
Bremen bediente sich einfacher Mittel, um ein ähnliches Schicksal wie in Gladbach zu verhindern und dem aktuellen Gegner, Leverkusen unter Rudi Völler, eine Niederlage beizubringen. Was mit einem 2:1 auch gelang. Der unglückliche Eigentorschütze Frank Baumann durfte aus „taktischen Gründen“ (Werder-Coach Thomas Schaaf) nicht mitmachen. Zusätzlich spielte Bremen mit ungewohnter Unansehnlichkeit. „Guter Fußball besticht durch Schönheit, Brillanz und Effektivität. Gegen Gladbach haben wir eine Halbzeit nur die Schönheit gesehen. Heute war es nur Effektivität. Jetzt müssen wir das noch zusammenbringen.“ Manager Klaus Allofs klang nicht hoffnungslos bei der Analyse des aktuellen Zustands der Mannschaft, die sich in der Tabelle direkt hinter den Teams der Stunde, Bayern und Hamburg, positioniert.
Dabei war es schon auffällig, wie abhängig Bremens Spiel von seinen Offensivkräften ist. Zwar demonstrierten Abwehr wie Mittelfeld Leidenschaft und Engagement, doch reichten die überdurchschnittlichen Leistungen von Patrick Owomoyela und Torsten Frings nicht aus, um diesen Mannschaftsteilen zu mehr Stabilität zu verhelfen. Erst mit Ballbesitz des einmal mehr spielbestimmenden KK-Kombinationskombinats (KKKK), Klose und Klasnic, kam es zum Überraschungsmoment, das höherklassige Teams nun einmal auszeichnet. Mit der Auswechslung (68.) des übereifrigen Baumann-Ersatzes Daniel Jensen wurden Bremens Offensivbemühungen zwingender. Jungspund Aaron Hunt besetzte die linke Offensivseite und brachte den Schwung, den sich Trainer Thomas von Jensen erhofft hatte. „Wir wollten offensiv agieren, deshalb habe ich Jensen für Baumann gebracht.“ Aaron Hunt, sonst Stürmer Nummer vier hinter dem KKKK, sowie Valdez leisteten dann auch die Vorarbeit für den herrlichen Beindrehschwingschuss, den Klasnic zum 2:1-Endstand (77.) vorführte.
Zur „gehobenen Weltklasse“ erklärte der Interims-Comebacker Rudi Völler den entscheidenden Gegentreffer. Insgesamt freute er sich darüber, „mit einer tollen Mannschaft auf Augenhöhe“ agiert zu haben. Dennoch wirkte Völler sichtlich ermattet von allen in- und externen Kräften, die ihn zur Fortsetzung seiner Arbeit auf der Trainerbank bewegen wollen.
Wer folgt auf Völler?
„Glauben Sie mir, ich bin alt genug, um zu wissen, was ich zu tun habe“, antwortete Völler entnervt, als er auf Franz Beckenbauers Hinweis angesprochen wurde, er sei doch im besten Traineralter. Carsten Ramelow, der mit einem ungeschickten Rückpass auf Gegenspieler Klose, der eigentlich für Bayer-Keeper Hans-Jörg Butt gedacht war, das erste Gegentor verschuldete, konnte sich nur noch scherzhaft über die Trainerdiskussion äußern. „Dann ist es wohl an mir, den Rudi jetzt zu überzeugen. Ich bin ja schließlich der Kapitän“, witzelte er auf Nachfrage, ob das Team Rudi Völler nicht als Trainer behalten wolle.
Dass sich die Diskussion zu einer kleinen Posse auswächst, ist allerdings hausgemacht. Längst sollte ein Nachfolger präsentiert werden. Doch der mächtige Bayer-Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser ist kein Befürworter des Völler-Freundes Matthias Sammer, der auch bei den Fans wenig beliebt ist. „Wir haben die Lösung noch nicht, es wird noch ein paar Tage dauern. Wir haben einen neuen Zielpunkt: nächste Woche gegen Bielefeld“, erklärte Holzhäuser. „Es kann auch nachher sein.“ Fans und Spieler würden es begrüßen, wenn dieses „nachher“ ungefähr am Ende dieser Saison läge. Rudi Völler mit Sicherheit nicht.
OKE GÖTTLICH