Kaum Platz neben Harry Potter

KINDERLITERATUR Obwohl mehr Kinderbücher verkauft werden, können viele Autoren davon nicht leben – wichtiger sind Lesungen und Schreibworkshops

„Kinder sind das beste Publikum, das man sich denken kann“

WILL GMEHLING, BREMER KINDERBUCHAUTOR

Will Gmehling schreibt seit fast 20 Jahren Kinderbücher. Die Bücher des Bremer Autoren kommen auf Auflagen von 5.000 Stück. Dennoch stammt die Hälfte seines Lebensunterhaltes aus Französischkursen für Manager. „Der Verkauf ist nicht schwieriger geworden, im Gegenteil“, sagt er, dennoch könnte er allein von seiner Schriftstellerei nicht leben.

Mit mehr als hundert anderen AutorInnen besuchte Gmehling im Oktober eine internationalen Tagung der Kinderbuchautoren in Hannover, die der Friedrich-Bödecker-Kreis organisiert hatte und die dieses Jahr unter dem Motto „Perspektiven“ stand: Neben den Perspektiven der Kinder und Jugendlichen, der Zielgruppe der AutorInnen, ging es dabei eben auch um die Perspektiven der AutorInnen selbst, die allein vom Schreiben selten leben können.

Denn der Kinderbuchmarkt ist in den letzten Jahren zwar gewachsen: wurden 2001 noch 4.800 Titel für Kinder und Jugendliche in Deutschland veröffentlicht, waren es 2011 bereits 8.225. Doch während Stars wie Joanne Rowling oder Cornelia Funke in keiner Buchhandlung fehlen, hat es das Gros der Kinder- und Jugendbuchautoren immer schwerer, überhaupt den Weg in die Regale zu finden.

Wie für Gmehling spielt für die meisten Autoren deshalb der Buchverkauf eine Nebenrolle. „Meine jährlich rund 40 Lesungen in den Klassen 1 bis 6 sind für mich viel wichtiger, sowohl finanziell als auch wegen der direkten Reaktion des Publikums“, sagt Gmehling. „Kinder sind das beste Publikum, das man sich denken kann.“

Der Friedrich-Bödecker-Kreis, ein Verein mit Sitz in Hannover, organisiert neben Lesungen auch Schreibwerkstätten mit Autoren in Schulen. So war der Hamburger Autor Harald Tondern, der Jugendromane etwa über Neonazis, Drogen oder Mobbing schreibt, eine Woche lang zusammen mit der Autorin Ingrid Röbbelen in einer neunten Hauptschulklasse in Bremerhaven.

Die erste Aufgabe für die zwölf Jungen und zwölf Mädchen lautete: Schreib fünf Sätze über ein Kinderfoto von dir. „Am ersten Tag des Schreibworkshops war die Klasse extrem unruhig“, sagt Röbbelen. Vor allem die Jungen hätten Chaos gestiftet. Tondern sieht das etwas entspannter: „Schreibworkshops sind immer ein Wagnis. Man weiß nie, ob er einem diesmal nicht krachend um die Ohren fliegen wird. Kann passieren. Ist aber noch nie passiert.“

Wenn die Jungen in ihren Texten Fäkalsprache einsetzen, um zu provozieren, nehme er das auf, sagt Tondern. „Wenn ein Skin in einem Roman zu seinem Lehrer sagt ,Und jetzt zehnmal pumpen, du Arsch!‘, ist das in Ordnung, wenn der Erzähler dann allerdings fortfahren würde „Und dann pumpte der Arsch zehn Mal“ wäre das ein handwerklicher Fehler.“ Joachim Göres