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Archiv-Artikel

Gewerkschaften marschieren jetzt mit den Studenten

ÖSTERREICH Wachsende Unterstützung für streikende Hochschüler. Ende der Uni-Besetzung nicht in Sicht

„Wir bleiben hier, bis uns das Essen ausgeht“

André Hermann, Student

WIEN taz | Die Studentenproteste in Österreich werden auch von den Gewerkschaften mitgetragen. Am Mittwoch gingen in der Tiroler Hauptstadt Innsbruck rund 500 Menschen für eine bessere Ausstattung der Universitäten auf die Straße. Donnerstag organisierte die Koordination „Schulterschluß“ eine Demonstration von der Bundeswirtschaftskammer zur Technischen Universität (TU) in Wien. Ein Transparent „TU für höhere Löhne der MetallarbeiterInnen“ wurde von Studierenden und Gewerkschaftern gemeinsam getragen.

Die Koordination „Schulterschluß“ war schon am Werk, als am 5. November etwa 20.000 Menschen für die Anliegen der Hörsaalbesetzer demonstrierten. Der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) hatte sich wenige Tage zuvor auf einer außerordentlichen Vorstandssitzung in einer Resolution solidarisiert. Die Universitäten, so der Bundessekretär der Gewerkschaftsjugend Florian Zuckerstätter, seien ein Problemfeld von vielen im Bildungsbereich.

Im Nationalrat begann kurz darauf eine von den Grünen beantragte Dringlichkeitssitzung zu den Universitäten. Parteichefin Eva Glawischnig bekräftigte dort ihre Solidarität mit den Studierenden, die seit Mitte Oktober das Auditoruim Maximum der Universität Wien und Hörsäle in fast allen anderen Hochschulen des Landes besetzt halten. Die Schmerzgrenze, so Glawischnig, sei erreicht. Sie attackierte vor allem ÖVP-Politiker. Wissenschaftsminister Hahn, der als Kommissar nach Brüssel wechselt, hinterlasse „einen Scherbenhaufen“, und Vizekanzler und Finanzminister Josef Pröll tue so, als ob ihn das alles nichts anginge. Sie forderte als Sofortmaßnahme zusätzliche 200 Millionen Euro für die höhere Bildung und die Anhebung des Universitätsbudgets auf die von der EU geforderten 2 Prozent des BIP. Ein Misstrauensantrag gegen Minister Hahn wurde von der Regierungsmehrheit von SPÖ und ÖVP abgeschmettert.

Die Forderung nach mehr Geld versprach Bundeskanzler Werner Faymann, SPÖ, mittelfristig zu erfüllen. Die Missstände an den Hochschulen würden nicht unter den Teppich gekehrt. Ein Hochschuldialog solle ein erster Schritt sein. Die nachhaltige Erhöhung der Gelder für den tertiären Bildungssektor sei ein Ziel. Ob man bis 2020 die angestrebten 2 Prozent des BIP erreichen werde, hänge vom Verlauf der Krise ab. ÖVP-Wissenschaftssprecherin Beatrix Karl sieht die Lösung nicht in mehr Studienplätzen, sondern in weniger Studierenden. Sie wünscht sich Zugangsbeschränkungen und Studiengebühren.

An den Universitäten richtet man sich auf ein längeres Verweilen ein. „Wir bleiben, bis uns das Essen ausgeht“, sagt der Student André Hermann. Danach sieht es im besetzten Gebäude auf dem Uni-Campus in Wien nicht aus. Im Kochtopf dampft die Pasta. In Hängematten liegen Studierende in Skripte vertieft oder auf Laptops hämmernd. Im Hörsaal C1 werden allabendlich Isomatten und Schlafsäcke ausgerollt. In den Klos gibt es jetzt sogar Toilettenpapier und Tampons, auf den Waschbecken Seife. 650 Lehrende, vor allem jene, die mit prekären Verträgen am Rande des Existenzminimums gehalten werden, haben sich auch solidarisch erklärt. Nötigenfalls werde man auch die Weihnachtsferien im Hörsaal verbringen, meint die Studentin Julia Fischer aus Berlin. Ein Christbaumhändler habe zugesagt, einen Baum zu spenden.