: RWE verliert keine Zeit
BEWEGUNG I Nachdem der letzte Braunkohlegegner aus seinem Tunnel gezogen wurde, wird der Hambacher Forst gerodet
VON PASCAL BEUCKER
KÖLN taz | Er war pfiffiger, als die Polizei erlaubt. Tagelang versuchten Einsatzkräfte einen renitenten Braunkohlegegner aus seinem selbst gebauten Erdbunker im Hambacher Forst herauszuholen. Immer wieder schlug er ihnen ein Schnippchen. Doch am Freitag kurz vor Mitternacht war Schicht im Schacht. Jetzt droht dem Mann ein Strafverfahren – und dem Wald an der Tagebauabbruchkante bei Kerpen-Buir die Abholzung.
Jonas Zimmermann, wie ihn seine MitstreiterInnen nennen, war der letzte Verbliebene eines Protestcamps. Seine Aktion bezeichnete er als „praktizierten Klimaschutz von unten“. Vier Tage brauchten Polizei, Technisches Hilfswerk und Feuerwehr sowie Spezialisten der Herner Grubenwehr, um den 27-Jährigen mit dem Irokesenschnitt aus einem rund sechs Meter tiefen Tunnelsystem auszubuddeln. „Er möchte offenbar nicht von uns gerettet werden“, sagte ein Polizeisprecher konsterniert.
Am späten Freitagabend war es so weit. Beamten einer technischen Einsatzeinheit drangen bis zur letzten unterirdischen Zuflucht Zimmermanns vor. Nach intensivem Gesprächskontakt sei es ihnen gelungen, „ihn in einem günstigen Moment zu ergreifen“, teilte die Polizei mit. Aus dem Schacht sei er „gegen seinen heftigen Widerstand“ herausgeholt worden. Ein bereitstehender Notarzt bescheinigte dem Unbeugsamen, zwar erschöpft, aber unverletzt zu sein.
Nach seiner unfreiwilligen Rettung ging es für Zimmermann noch in der Nacht ins Polizeipräsidium nach Köln. Ihm werden Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung und versuchte gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. „Das kann sich natürlich noch erweitern“, sagte ein Polizeisprecher der taz. Da jedoch „keine schwerwiegenden Haftgründe“ bestünden, wurde der Umweltaktivist aus dem bayerischen Greifenberg mittags wieder auf freien Fuß gesetzt. „Es geht ihm gut“, sagte eine seiner UnterstützerInnen. „Was er braucht, ist erst einmal Ruhe.“
Der Hambacher Forst war ursprünglich 5.500 Hektar groß. Doch den Großteil des jahrhundertealten Waldes verschlang in den letzten Jahrzehnten das unersättliche rheinische Braunkohlerevier, das mit seinen Tagebauen und Kraftwerken als die klimaschädlichste Region Europas gilt. Geblieben ist von dem Forst nur ein schmaler Streifen entlang der Autobahn A4. Seit Mitte April hatten mehrere Dutzend Anti-Kohle-AktivistInnen das Waldstück „besetzt“ gehalten.
Um eine Räumungsverfügung des Landgerichts Köln durchzusetzen, rückten am vergangenen Dienstagmorgen mehrere Hundertschaften der Polizei gegen das Protestcamp vor. Die Räumung sei „bis auf den passiven Widerstand der Waldbesetzer friedlich“ verlaufen, erklärte die Polizei. 23 AktivistInnen wurden kurzzeitig in Gewahrsam genommen. Auch ihnen drohen Strafverfahren.
Das Gelände wird nun an RWE Power übergeben. In einer Stellungnahme bedauerte das Tochterunternehmen des Essener Energiekonzerns, „dass kein freiwilliges Ende der unrechtmäßigen Protestaktion möglich war“. RWE Power werde „jetzt auch in diesem Bereich des Hambacher Forsts auf Grundlage bestehender Genehmigungen mit Rodungsmaßnahmen beginnen“. Das sei „aus betrieblichen Gründen erforderlich, um den Tagebau planmäßig fortführen zu können“. Die AktivistInnen wollen den Widerstand fortsetzen.