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Erst arbeitslos, dann Welttour

AUS DER HÜFTE Der aus Ghana stammende Musiker Ata Kak wurde mit 25 Jahren Verspätung dank der „Awesome Tapes From Africa“ doch noch entdeckt – bei einem Konzert im HAU ließ er sich nun feiern

War nicht so leicht, ihn aufzutreiben und nach Berlin zu lotsen: Ata Kak am vergangenen Freitag im HAU Foto: Dorothea Tuch/HAU

von Stephanie Grimm

Die Vorgeschichte ist drehbuchreif: Vor 25 Jahre nahm der ghanaische Musiker Ata Kak – bürgerlich heißt er Yaw Atta-Owusu und lebte seinerzeit in Kanada – ein paar Songs in Twi (einer von sieben Sprachen in Ghana) auf und veröffentlichte sie unter dem Titel „Obaa Sim“. Übersetzt heißt das „perfekte Frau“. Doch niemand interessierte sich für Ata Kaks Musik, angeblich verkauften sich gerade mal drei Exemplare der Eigenproduktion.

Zehn Jahre später, 2002, fand der US-amerikanische Ethnologe Brian Shimkovitz, seinerzeit zu Studienzwecken in Ghana, die Kassette beim Stöbern auf einem Markt in Cape Coast. Bekannt werden sollte Shimkovitz später mit Awesome Tapes from Africa (ATFA). So lauten Shimkovitz’ DJ-Alias und zugleich der Name eines Blogs, den er 2006 ins Leben rief, um die Fundstücke seiner Reisen einem breiteren Publikum vorzustellen: eklektizistische Musik aus Afrika, die gängige Weltmusikklischees sprengte und die man außerhalb ihrer Entstehungsregion kaum zu hören bekam. 2011 wurde aus dem Blog ein Label. Shimkovitz nahm Kontakt mit Musikern auf und brachte ihre Songs neu heraus.

Nur Ata Kak, dem er seinerzeit den allerersten Blog-Eintrag gewidmet hatte, blieb unauffindbar. Irgendwann begleitete sogar ein BBC-Reporter Shimkovitz auf seiner unermüdlichen Suche – und hatte die entscheidende Idee. Via Facebook kam 2014 der Kontakt zu Ata Kaks Sohn zustande, der Rest ist Geschichte.

Denn so kommt es, dass an einem Freitagabend ein Hipsterpublikum – die ghanaische Community ist kaum vertreten – in das ausverkaufte HAU strömt, um einen freundlichen älteren Herrn zu feiern, der sein Glück kaum fassen kann. „Are you ready for this?“, feuert er sein Publikum an und scheint doch vor allem sich selbst diese Frage zu stellen – um sie begeistert abzunicken. Ata Kak wirkt linkisch und elegant zugleich, mit zugeknöpftem Hemd und grau meliertem Haar strahlt er Seriosität und manchmal etwas Predigerhaftes aus – ein schräger Kontrast zum frenetischen Sound. Auf die Liveauftritte hat sich Ata Kak, so war zu lesen, vorbereitet wie ein Sportler auf den Wettkampf. Man sieht es ihm an. Mit zackigen Hüftmoves joggt der Mittfünfziger über die Bühne und feuert sein Publikum an.

Unterstützt von einer Begleitband, bringt er die Songs auf die Bühne, die er vor 25 Jahren geschrieben hat, eine energetische Mischung aus westafrikanischem Highlife, Old-School-Rap, Ragga und Popsounds der ­achtziger Jahre. Die Songs klingen muskulöser als auf Tonträger und haben sich trotzdem ihren leichtfüßigen Charme bewahrt.

Dieses von Zeit und Ort scheinbar entkoppelte Album trifft über Bande dann wieder voll den Zeitgeist – und im HAU auf ein enthusiastisches Publikum: Während sich heutzutage Musiker in den Weiten des Internets zu Soundhybriden inspirieren lassen, kreierte Ata Kak 1992 auf Basis seiner eigenen Biografie einen nicht minder furiosen Klangmix.

Düsseldorf, Kanada, Ghana

Auf die Liveauftritte hat er sich vorbereitet wie ein Sportler auf den Wettkampf

Seine Heimat hatte Ata Kak nach einem Militärputsch verlassen, zur Musik kam er eher zufällig. In Düsseldorf heuerte er als Drummer einer Reggaeband an, weil er gefragt wurde – obwohl er nicht Schlagzeug spielen konnte. 1989 emigrierte er nach Kanada. Dort spielte er in einer Coverband und begann eigenes Material zu schreiben – vom westlichen Pop genauso beeinflusst wie von der Musikszene seiner Heimat und der sich dort entwickelnden Fusion von Highlife und Rap.

Als Shimkovitz ihn endlich ausfindig machte, lebte Ata Kak wieder in Ghana und hatte keinen Job. Sein Ruhm – die Geschichte erinnert im Übrigen an die Sixto Rodriguez’, von dem der oscarprämierte Dokumentarfilm „Searching for Sugarman“ aus dem Jahr 2012 erzählt – war für ihn so unerwartet wie willkommen.

Nach einer knackigen Stunde ist der Spaß im HAU dann aber auch schon vorbei. Zugaben sind nicht vorgesehen. Es gibt eben nur dieses Album – auch wenn Ata Kak in Interviews davon spricht, dass er laufend Songs schreibt und bald etwas ganz Großes von ihm kommen wird. Doch erst einmal legt sein Bandleader, der in London lebende Südafrikaner Esa Williams, im Anschluss im Foyer des Theaters auf. Das ist auch ziemlich toll.

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