: Saarland ganz vorn
Der Stahl macht’s: Der kleinste Flächenstaat hat das höchste Wirtschaftswachstum. Konjunktur insgesamt flau
BERLIN taz ■ Was Konjunkturerwartungen angeht, ist man in Deutschland bescheiden geworden – und bei den Schlagzeilen großzügiger. „Deutsche Konjunkturbelebung setzt sich fort“, hieß es gestern nach der Veröffentlichung der jüngsten Berichte aus den Banken. Gemeint ist: Ein Rückfall in die Stagnation bleibt dem Land vorerst erspart.
Bundesbankpräsident Axel Weber rechnet damit, dass die Wirtschaftsleistung im Gesamtjahr 2005 um ein Dreiviertelprozent zulegt, der Bundesverband Deutscher Banken erwartet immerhin ein Prozent. Auch 2006 soll es keine großen Sprünge geben: Die Prognosen lauten auf 1 bzw. 1,5 Prozent. Die Bundesregierung hält an ihrer Einschätzung von 1,5 bis 2 Prozent Wachstum für das laufende Jahr fest.
Der Blick in die Bundesländer zeigt jedoch, dass das wohl nur in einem einzigen Land erreicht werden kann – wenn im zweiten Halbjahr nicht ganz Außergewöhnliches passiert. Folgt man den Zahlen des Arbeitskreises „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder“, ist ausgerechnet das Saarland auf dem richtigen Kurs. In dem kleinsten Flächenland stieg das Bruttoinlandsprodukt, also die Summe aller im Land produzierten Waren und Dienstleistungen, nach der die Wirtschaftsleistung gemessen wird, im ersten Halbjahr 2005 um 2,8 Prozent. Der Bundesdurchschnitt pendelte um 0,6 Prozent. Weit unterdurchschnittlich entwickelten sich wieder einmal Berlin und Brandenburg, deren Wirtschaftsleistungen um 0,6 und 0,8 Prozent schrumpften. Aber auch die Wirtschaft im Freistaat Sachsen, die im vergangenen Jahr noch um überdurchschnittliche 2,3 Prozent zugelegt hatte, lag mit 0,7 Prozent im Minus. Überhaupt ist das Verhältnis von alten und neuen Bundesländern wieder unausgewogen. Während die alten auf ein durchschnittliches Konjunkturplus von 0,8 Prozent kamen, schrumpfte die Wirtschaft in den neuen Ländern im Mittel um 0,2 Prozent.
Grund für das überdurchschnittliche Wachstum im Saarland ist der Stahlboom auf dem Weltmarkt. So stiegen die Umsätze bei der Metallerzeugung und -bearbeitung um mehr als 30 Prozent. Das Land habe einfach einen sehr hohen Industrieanteil an der Gesamtwertschöpfung, meinte Dieter Blohm vom Statistischen Landesamt in Hessen, das die Ergebnisse des Arbeitskreises gestern verbreitete.
Keine nennenswerte Verbesserung ist bei der Binnennachfrage in Sicht. Der sinkende private Konsum sei „weiterhin das gravierendste Problem der deutschen Konjunktur“, heißt es im Monatsbericht des Bundesverbands Deutscher Banken.
BEATE WILLMS