BEI ANIMAL COLLECTIVE IM ASTRA AUF DER SUCHE NACH DIESEM SCHÖNEN ALTEN RIESENGLÜCKSGEFÜHL
: Türsteher überall

VON RENÉ HAMANN

Quietschende Kindermusik, das sei das, was auf der neuen Platte hauptsächlich zu hören sei. „Centipede Hz“, die neue Animal Collective, klingt tatsächlich sehr ritalinbetrieben, wie ein durchgedrehtes Kinderzimmer mit gelegentlichen karibischen Oasen. Die tiefenentspannte und psychedelisch bewegte Lässigkeit des Vorgängers „Merriweather Post Pavilion“ jedenfalls ist passé, und man durfte wieder einmal gespannt sein, wie diese Lieblingsband, die ich jetzt schon zum, äh, sechsten Mal sehen sollte, zum zweiten Mal in Folge im Kulturhaus Astra, ihre erneute Metamorphose darbringen würde.

Das Astra, das sich nach einer Hamburger Kiezbiermarke benannt hat, ähnelte in manchem dem Jüdischen Museum, das wir am Vortag besucht hatten, da gab es eine Ausstellung von R. B. Kitaj, dem oft überschätzten Malerfreund von David Hockney und Philip Roth (mir gefielen die Collagen, das grelle Spätwerk nicht – meiner Begleitung ging es umgekehrt).

Flughäfen als Standard

Öffentliche Orte, die sich zu Flughäfen verwandeln, vielleicht ist das der Standard, an dem man sich schon viel zu sehr gewöhnt hat. Türsteher überall; kein Konzert, nicht mal eine Lesung ohne Sicherheitspersonal.

Das eigentlich Bedenkliche war aber nicht, dass Flaschen in Bechern umgefüllt wurden, sondern dass das Astra sein Foyer schon hochgeblasen hatte, nämlich mit Wärmebläsern. Sodass man natürlich gleich beim Reinkommen den Impuls hatte: Jacke abgeben. Um nach dem Konzert mit allen anderen sehr, sehr lange auf die Rückgabe der Jacke zu warten.

In der Halle, die zum Glück nicht komplett voll war, war es dann eine Spur angenehmer. Trotzdem fühlten wir uns müde und panisch vor Ansteckung, der Kreislauf machte einen schönen Loop, das Handy vibrierte hilflos in der Hosentasche, und gerade als der Panikfaktor auf dem Höhepunkt war, irgendwann in der ersten Hälfte des Sets, fiel der Strom aus.

Für einen Moment herrschte Orientierungslosigkeit und Stille. Die Band, die sich instinktiv vor ihrem Erfolg zu schützen schien, durch Distanz und Verschiebung, war dem Moment ausgeliefert, der sich später im Konzert noch einmal wiederholen sollte – aber nein, nicht der ganze Strom war weg. Es war nur ein Gerät kaputt. Ein ziemlich wichtiges, ohne das einige Stücke karg klangen (aber gar nicht mal schlechter), und zwei eben „geskippt“, also abgebrochen werden mussten.

Aber was war das für ein Moment später, als das Publikum „My Girls“ einfach weitersang, wie bei einem Stadionrockkonzert, nur viel freundlicher. Und der arme Deakin, der mit dem ausgefallenen Gerät, überwältigt ins Publikum lächeln musste. Die Band ist groß, das zeigte sich in diesem Moment, auch wenn das Publikum mindestens zur Hälfte aus den Staaten stammte – like, I have to take the morning plane back.

Diese Raumpflegeranzüge

Panda Bear, ans Schlagzeug gefesselt, schien der Konzentrierteste, Avey Tare sah mit seinen blau gefärbten Haaren, die manchmal silbern und grau schimmerten, wie der Sänger von Green Day aus. Er und Deakin trugen diese Raumpflegeranzüge, die man auch für Overalls oder Jumpsuits halten konnte, was den Irrenhauseindruck noch verstärkte. Avey Tare wirkte ohnehin etwas gedämpft, trotz der Stimmhaftigkeit. Nur The Geologist war wie immer. Überlegungen eines Fans.

Nach der Garderobe vereinfachte sich alles. Der Geräteausfall hatte das Konzert besonders gemacht; das Publikum hatte hauptsächlich die alten Hits gefeiert, vielleicht verständlicherweise, das alte Riesenglücksgefühl wie damals wollte sich nicht mehr komplett einstellen.