: Film ab, das Spiel dauert 90 Minuten
FESTIVAL Heute startet das beliebte „11mm“ im Kino Babylon und zeigt Fußballfilme noch und nöcher
Es ist noch gar nicht so lange her, da war das Angebot an Fußballfilme kaum größer als die Chance von Hertha BSC, diese Saison die Deutsche Meisterschaft zu gewinnen. Erst seit zwanzig Jahren werden sämtliche tiefgründigen und vor allem oberflächlichen Aspekte des Fußballs medial ausgeleuchtet, wozu auch Spiel- und Dokumentarfilme beitragen. Für zwei der erfolgreichsten deutschen Beiträge zum Genre Fußballfilm sorgte Sönke Wortmann, als er 2003 „Das Wunder von Bern“ und 2006 „Deutschland. Ein Sommermärchen“ in die Kinos brachte. Ob er auch schon an einem Film über das gekaufte Sommermärchen arbeitet, ist nicht bekannt.
Noch existiert er jedenfalls nicht, weshalb er in diesem Jahr auch noch nicht beim 11mm-Festival gezeigt werden kann, das ab Donnerstag zum 14. Mal im Kino Babylon läuft. Als das von Birger Schmidt und dem Verein „Brot & Spiele“ 2004 ins Leben gerufene Fußballfilmfestival 2004 startete, sahen sich gerade 800 Zuschauer die zehn Filme an. Nunmehr werden 5000 Besucher erwartet, die sich an fünf Festivaltagen über 50 internationale Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilme rund ums Thema Fußball anschauen können.
Der Fußballfilm hat damit in gewisser Weise die umgekehrte Richtung eingeschlagen, die die für Tonträger produzierte Fußballmusik nahm. Von den Sechziger- bis in die Achtzigerjahre war die mal relativ groß – im Sinne der verkauften Vielfalt, nicht der Qualität. Seit den Neunzigern ging es jedoch bergab, was die Produktionen mit Fußballstars betraf. Studioauftritte von Nationalspielern und Großklubmannschaften wie der FC Bayern nahmen ab, weil sich die Fußballer – je mehr sie zu gesellschaftlichen Popstars wurden – nicht mehr als Gesangsnulpen der Peinlichkeit ausliefern wollten. Wo doch der Fußball nun sogar im Feuilleton angekommen war, auch dank des häufigeren Arbeitseinsatzes der Regisseure, die nicht mal eben so einen Film hinschludern können wie dereinst die Musikproduzenten Plattenaufnahmen mit Franz Beckenbauer und Co.
Vielleicht beginnt deshalb die erstmals gezeigte Dokumentation „You’ll never walk alone“ von André Schäfer über die Welthymne des Fußballs mit Schallplatten. Schauspieler und BVB-Fan Joachim Król geht in einen Dortmunder Plattenladen und kramt sich durchs Regal: Elvis, Mahalia Jackson – lauter Interpreten von „You’ll never walk alone“. Joachim Król begibt sich auf die Spuren des Liedes, dessen Geschichte wie die von Borussia Dortmund 1909 begann (was zum NRW-Schwerpunkt des Festivals passt) und das über den Broadway ins Stadion von Liverpool und anschließend in einige andere fand, darunter auch der Dortmunder „Signal Iduna Park“.
Im Film sagt der Dortmunder Stadionsprecher (und Exprofi) Norbert Dickel auf die Bemerkung Krols, dass der Songtext gar nichts mit Fußball zu tun habe: „Ist doch egal.“ Eben. Es geht um große Emotionen, die über die Glücksmomente nach Toren weit hinaus reichen. Deshalb schreit die Geschichte des Liedes geradezu nach einer Verfilmung, denn sie erklärt eigentlich alles, was den Fußball – trotz seiner Knechtung durch die Kommerzianer – für viele Menschen immer noch ausmacht. Weshalb er auch immer wieder märchenhafte Filmstoffe liefert. So wie die Qualifikation der Isländer, einer Überraschung der EM 2016. Bei der Aufführung der isländischen Dokumentation „Wie ein Vulkan – der Aufstieg des isländischen Fußballs“ wird morgen sogar Nationaltrainer Heimir Hallgrímsson anwesend sein. Als weitere Höhepunkte sind die Doku „Refugee11“ über ein Fußball-Flüchtlingsteam aus 16 Nationen und eine Hommage an den holländischen Internationalen Johan Cruyff, der vor einem Jahr an Krebs starb, angekündigt.
Gunnar Leue
11mm-Festival, Babylon Mitte, bis zum 3. April, www.11-mm.de
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