: „Der Bundes-Tag ist ein großes Haus in Berlin“
INTERNET Damit Behinderte Politik besser verstehen, gibt’s nun eine Bundestagsseite in Leichter Sprache
BERLIN taz | „Bundes-Tag ist der Name für ein großes Haus in Berlin.“ Mit diesem Satz wird empfangen, wer den neuen Service „in Leichter Sprache“ auf bundestag.de anklickt. Große Schrift, kurze Sätze, einfach verpackte Infos – so sieht praktische Gleichstellungspolitik aus.
Vor über einem Jahr ist in Deutschland die BITV 2.0 in Kraft getreten, die „Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik nach dem Behindertengleichstellungsgesetz“. Eine Name wie eine Festung. Dabei geht es darin um das Verständlichmachen politischer Abläufe und Entscheidungen. In Leichter Sprache klingt das dann so: „Der Bundes-Tag macht die Gesetze und kontrolliert, was die Regierung macht.“
Die Verordnung regelt, dass in anderthalb Jahren jede Behörde ihren Internetauftritt auch in „Leichter Sprache“ bereitstellen muss. Das heißt, dass Menschen mit geistiger Behinderung oder Lernbehinderung ab März 2014 leicht verständlich erklärt bekommen, welche Inhalte zum Beispiel ihre Kommune bereithält und wen sie bei welcher Frage anrufen oder anschreiben können. Das tut not, denn 7,5 Millionen Menschen in Deutschland sind funktionale Analphabeten, hat die Uni Hamburg 2011 festgestellt. 13,3 Millionen haben Schwierigkeiten beim Gebrauch der deutschen Sprache.
„Leichte Sprache ist nicht mit Kindersprache zu verwechseln“, stellt Maika Jachmann klar, „es wird auf Fremdwörter verzichtet, Satzbau und Wortwahl sind vereinfacht, die Schrift ist deutlich größer.“ Jachmann ist Leiterin der Onlinedienste des Bundestags, ihre Redaktion hat den neuen Netzauftritt möglich gemacht. Dass die Leichte Sprache nicht eine Art Erwachsenen-Sendung-mit-der-Maus ist, musste auch sie erst lernen. Ihre Verwaltung hat sich deshalb fachliche Unterstützung bei der Lebenshilfe Bremen geholt.
Dort leitet Petra Schneider das Büro für Leichte Sprache. Seit 2004 existiert die Einrichtung, auch Mitarbeiter mit Lernschwierigkeiten arbeiten mit. Inzwischen gibt es ein bundesweites Netzwerk solcher Büros. „Wir haben überlegt: nach welchen Regeln arbeiten wir“, erzählt Schneider. Sie selbst hat Behindertenpädagogik studiert; als sie damals bei ihrer Prüfung versucht hat, Fremdwörter zu vermeiden, wurde ihre Leistung um eine Note herabgestuft. Bis heute ist die 43-Jährige überzeugt: „Wenn man sich unterhalten will, muss der Kodex leichter sein, konkreter – man muss die Sprache anpassen.“ Und das gilt ihrer Ansicht nach keineswegs nur für Behinderte.
Nutzbar sind die übersetzten Texte zum Beispiel auch für Demenzkranke, Menschen mit Wahrnehmungsstörungen oder Kinder. Sehbehinderte freuen sich an der gut lesbaren 14-Punkt-Schrift. Und dass Migranten froh sind, wenn sie Beamtensprache verständlich übersetzt bekommen, weiß Schneider, seit sie selbst mal für ein paar Monate in Schweden gelebt hat und dort das Internetangebot in Leichter Sprache genutzt hat.
Neulich hat ihr Lebenshilfe-Büro für Werder Bremen eine Broschüre übersetzt, in der die Fußballregeln in Leichter Sprache erklärt werden: „Die 10.000 Stück waren binnen einem Monat weg.“ So was, „schöne Sachen eben“, müsste es in ihren Augen mehr geben. ANJA MAIER