Kartellamt dreht den Gashahn zu

Nach kurzem, aber heftigem Streit wird die Wettbewerbsaufsicht den deutschen Gashändlern deren Vertragspraxis verbieten. Glaubt man der Gaswirtschaft, führt das zu höheren Preisen

VON NICK REIMER

Bremen ist Spitze. Ab 1. Oktober dürfen die Gaskunden 15 Prozent mehr je Kilowattstunde zahlen. Das teilten die Stadtwerke Bremen gestern mit. Macht eine jährliche Mehrbelastung von 160 Euro je hanseatischen Haushalt.

Am Bundeskartellamt liegt das jedenfalls nicht. Amtschef Ulf Böge hatte am Montag Verhandlungen mit der Gaswirtschaft für gescheitert erklärt. Gestern kündigte er eine Untersagungsverfügung seines Hauses an: „Binnen der nächsten Wochen“, so Böge, will sein Amt den 15 deutschen Gas-Großhändlern deren Vertragspraxis untersagen.

Böge glaubt, dass Laufzeiten von zehn bis 15 Jahren den Wettbewerb behindern. Und seitdem sich in der EU der Neoliberalismus durchgesetzt hat – hier in Form von Gas-Markt-Liberalisierungs-Richtlinien –, ist so etwas nicht mehr tragbar. Die Kartellwächter sehen in den langfristigen Lieferverträgen unter Ausschluss von Konkurrenz nichts anderes als eine künstliche Abschottung des Marktes.

Betroffen wird allerdings erst einmal nur einer der 15 Gashändler sein: Eon Ruhrgas. Die Wettbewerbshüter gehen davon aus, dass der Primus der Ferngasunternehmen gegen den Kartellamtsschritt klagt. „Unser Ziel ist eine schnelle gerichtliche Klärung des Streits vor dem Kartellsenat des Düsseldorfer Oberlandesgerichts“, sagte Böge gestern.

Vor zwei Wochen hatte er die Gasversorger ultimativ aufgefordert, ihre Vertragspraxis zu ändern. Am vergangenen Donnerstag lief eine von der Behörde gesetzte Frist zur friedlichen Einigung ab. „Insbesondere Eon Ruhrgas“, so Böge, sei nicht bereit gewesen, „eine Zusage zu geben, die zu einer aus wettbewerblicher Sicht akzeptablen Marktöffnung geführt hätte“.

Vorgesehen war eine stufenweise Kappung der Laufzeiten ab dem Wirtschaftsjahr 2006/2007: In der ersten Stufe hätte das Bundeskartellamt den Unternehmen eingeräumt, bestehende und künftige Lieferungen im Umfang von bis zu 35 Prozent nach den alten Verträgen abzusichern. Danach sollte das Kontingent auf 9 Prozent sinken.

Die deutsche Gaswirtschaft kritisierte den Vorstoß. „Die vom Kartellamt erdachte Quotierung kann dazu führen, dass ein Versorger nicht den günstigsten Anbieter wählen darf“, so Marian Rappl vom Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft. Die Folge könnten höhere statt geringere Preise sein. Stadtwerksvertreter hatten in der taz (Montag-Ausgabe) Langfristverträge favorisiert, „weil sie den Gasproduzenten Investitionssicherheit gewähren und uns damit Versorgungssicherheit“.

Aus Brüssel jedenfalls kam gestern viel Beifall für Ulf Böge. „Wir beobachten die Entwicklung mit großem Interesse“, sagte Jonathan Todd, Sprecher von Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes. Deutsche Konsumenten und Industrie würden von den Kartellamts-Plänen profitieren. Brüssel sei gerade dabei, den Gasmarkt in ganz Europa zu überprüfen. Todd: „Wenn die Kommission Bedarf zum Handeln sieht, wird sie nicht zögern.“