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Archiv-Artikel

KUNST

schaut sich in den Galerien von Berlin um

Marcus Woeller

Die mittlerweile achten „Nachrichten zum Weltuntergang“ annonciert der Projektraum Note On nun schon. Doch so eilig haben es die Künstler mit der Apokalypse nicht, schließlich gibt es immer Auswege aus der Existenzkrise oder zumindest intellektuelle Ausflüchte. Utopien und Dystopien, theoretische Möglichkeitsräume im Chaos bietet etwa die Philosophie an. Marcus Steinweg ist Philosoph, aber auch bildender Künstler. Das große Wandbild „The Real“ verbindet Stichworte und Stichwortgeber seiner Hauptdisziplin zu einem verworrenen Diagramm, in das eigene Textbausteine und historische Quellen einfließen. Ein Wegweiser durch die Realität? Die Kuratorin Imke Kannegießer kann jedenfalls topografische Qualitäten erkennen, denn sie zeigt die Arbeit im Kontext einer Gruppenausstellung zum Thema „Landschaften“. Eine solche präsentiert Hannah Gieseler in einer Videoinstallation: Über dem spiegelglatten Meer und unter der gleißenden Sonne erheben sich Eisberge. Die frostige Pastorale erscheint wie die ideale Naturlandschaft, doch ein Blick in den Pappkarton, der neben dem Beamer steht, enthüllt ihr Geheimnis: Alles konstruiert! So falsch wie unsere Wunschvorstellung von der schönen Natur. Mit dieser Absicht entführt uns auch Adrien Missikas Film „Black Sand Beach“ nach Hawaii, ein Song der Band Hui Ohana entfaltet einen exotischen Soundtrack, altgewordene Hippies führen am Strand Hunde aus oder machen Gymnastik. Doch die Kamera interessiert sich kaum für das Strandleben. Sie verharrt auf dem toten Baum, der von der Brandung ausgewaschen nur noch mit den Wurzelspitzen im Boden verankert scheint, aber dennoch Hoffnung verbreitet. Weltuntergang ist doch letztlich auch nur, was man daraus macht. (Note On, Kollwitzstr. 10, Fr.–Sa. 15–19 Uhr, bis 21. 12.)  Der 2006 verstorbene Ian Hamilton Finlay hatte sich bereits zu Lebzeiten in einem Traum aus Natur und Kunst eingerichtet. Sein Garten „Little Sparta“ in den schottischen Lowlands will die beiden ewigen Kontrahenten vereinigen, ohne sie zwangsläufig zu versöhnen. In der Galerie Nolan Judin sind jetzt Wandarbeiten zu sehen, die den Bruderzwist auf eine bildwissenschaftliche Ebene heben. Inspiriert vom Gemälde „Inter artes et naturam“ des Symbolisten Puvis de Chavannes beschäftigt Finlay sich mit Mutationen, die sowohl den Naturzustand bedrohen als auch kultivierte Zonen. Sütterlinbuchstaben morphen zu SS-Runen, Sensen zu Donnerkeilen, Wasserfälle zu Guillotinen. Wer noch auf die Verwandlung von Schwertern zu Pflugscharen hofft, scheint Finlay uns aus dem Jenseits zuzurufen, ist in der Wirklichkeit falsch aufgehoben. (Nolan Judin, Potsdamer Str. 83, Di.–Sa., 11–18 Uhr, bis 12. 1.)