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Archiv-Artikel

betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

Esther Slevogt

Die Produktion ist umstritten: die musikalische Völkerschau „Dschingis Khan“ des Performance-Kollektivs Monster Truck und des Theaters Thikwa. Denn hier wird sehr krass die Tatsache befragt, wie es eigentlich kommt, dass Menschen mit Downsyndrom lange „mongoloid“ genannt worden sind. Hat das seinen Ursprung in finstersten Kolonialzeiten, als der Direktor des nach ihm immer noch benannten Hamburger Zoos – Carl Hagenbeck – in sogenannten Völkerschauen auch Menschen anderer Kulturen wie exotische Tiere dem deutschen Publikum präsentierte? Mongolen zum Beispiel. Kann es sein, dass sich in diesem Zuschreibungsgestus „wir sind wir und ihr seid anders“ auch eine Grundhaltung der Hochkultur artikuliert, deren Kriterien als Ausschlusskriterien bis heute wirksam sind? Das 2005 von Absolventen des Gießener Instituts für Angewandte Theaterwissenschaften gegründete Kollektiv Monster Truck hat sich zur szenischen Erörterung dieser Frage mit dem Theater Thikwa zusammengetan, wo im Wesentlichen Schauspieler spielen, die eine Behinderung haben. (Wie stark die eigene Sprache bereits von Ausschlusskriterien strukturiert wird, kann man im Selbststudium mithilfe dieser Internetseite über Sprache und Behinderung feststellen, die von Menschen mit und ohne Behinderung zwecks Sensibilisierung und Aufklärung gemacht wird: http://leidmedien.de). In „Dschingis Khan“ treten drei Menschen mit Downsyndrom aus dem Thikwa-Ensemble auf und spielen Mongolen. Zum Beispiel. Was sogleich die Kritiker auf den Plan rief, die den Abend Hagenbecks Völkerschauen nicht unähnlich fanden. Ab Donnerstag ist die Produktion, die am Düsseldorfer FFT herausgekommen ist, in den Sophiensælen zu sehen.

Ausgeschlossen aus der Gesellschaft sind lange auch Menschen gewesen, die mit ihrer Ordnung in Konflikt gerieten. Das hier die Gesellschaft eine Mitverantwortung hat, diese Erkenntnis ist noch nicht so alt. Einer ihrer frühen Verfechter war Friedrich Schiller, dessen Erzählung „Verbrecher aus verlorener Ehre“ nun der junge Regisseur Simon Solberg für das Deutsche Theater adaptierte. (Premiere am Donnerstag)

An der Schaubühne befasst sich die große Stückeumkremplerin Friederike Heller mit dem Musiktheaterklassiker „The Black Rider“. Und keine Angst, es wird nicht schon wieder Tom Waits krächzen und röhren. Für eine zeitgemäße Tonspur sorgt die Berliner Band „Kante“, mit der Friederike Heller schon öfter zusammengearbeitet hat. (Premiere am Samstag)

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