piwik no script img

Archiv-Artikel

Irrungen und Wirrungen

Schwer zu entziffernde musikalische Skizzen, die Stilgrenzen fröhlich und geschmeidig überschreiten: Andeutungskünstler Stephen Malkmus gastiert im hiesigen KdW

Eigentlich sollte Stephen Malkmus‘ erstes Soloalbum nach dem Pavement-Split 1999 Swedish Reggae heißen. „Swedish“, weil es die Präzision schwedischer Motoren, des Tennisspiels von Stefan Edberg und der Filmmontage Ingmar Bergmans mische und in Musik gieße. Beantworten, was das Ganze mit den tiefen Basslinien des Reggae zu tun habe, wollte Malkmus erst gar nicht. Schließlich nannte er sein Solodebüt dann doch schlicht Stephen Malkmus.

Die Solokarriere von Malkmus begann also so unentschieden, wie man ihn schon vorher kannte. Sie erinnern sich? In den frühen neunziger Jahren wurde Malkmus gemeinsam mit seinem Landsmann Beck zur Leitfigur einer neuen musikalischen Bewegung: Man verfeinerte in der Tradition des College-Rock jene schöne Schlurfigkeit, die nicht allzu viel Wert auf rauschfreie Aufnahmen und perfekt gespielte Gitarrensoli legte. Schnell war ein Begriff dafür gefunden: Lo-Fi als Gegenspieler des sauber produzierten, aber seelenlosen Allerlei der Hitparade. Beck etwa mischte splitternde, mäßig produzierte HipHop-Beats mit dem Schnarren einer Westerngitarre – und sein Looser wurde zur Hymne jeder Studentendiskothek.

Malkmus‘ eigene Band Pavement galt damals als Neuerer der Rockmusik, die zwischen schön und hässlich keinen Unterschied mehr machte. Doch das ist eigentlich untertrieben: Pavement waren die stilbildende Indie-Rock-Band der Neunziger. Ihr Pop war eine Mischung aus sonntäglicher Melancholie, Verschlafenheit und Momenten unberechenbarer Euphorie, aus Country-Reminiszenzen und gänzlich unprätentiöser Rockmusik.

Wie ausschließlich der Genius des 1966 in Santa Monica geborenen Sängers und Gitarristen Stephen Malkmus für all das verantwortlich war, wird erst in der Retrospektive deutlich: Drei Soloalben sind bisher erschienen – allesamt Dokumente eines musikalischen Wirrgeists, der keine Grenzen mehr zu kennen scheint. Da gibt es zum Beispiel wirres Gitarrengezirpe, dann den alten Pavement-Schwung. Doch auch: Momente fahriger Ratlosigkeit. Klangspielereien aus Prog-Rock-Zeiten, Störgeräusche, ein dichtes Geflecht aus Anspielungen, mehr Skizze als Song.

Warum wir Malkmus immer noch lieben? Weil in jedem dieser Songfragmente eine Stelle ist, die alles erleuchtet. Weil sich musikalische Verweigerung und anschmiegsamer Pop selten so glamourös verbrüdert haben. Und weil die Popwelt ohnehin voll ist von runden, perfekten Sachen.

Marek Storch

Do, 29.9., 21 Uhr, KdW (Nobistor 24)