Die Wahrheit: „Wir kehren mit eisernem Besen!“

Im Wahrheit-Interview spricht das neue deutsche Staatsoberhaupt, der Reichsbürger und gewählte Kaiser Florian Bohrbach.

Ein Mann mit Fernglas

Auf einer Thingfeier in der Uckermark zum Kaiser gewählt: Florian Bohrbach hält Ausschau nach weiteren Reichsbürgern Foto: reuters

Die berüchtigten „Reichsbürger“, die an den Fortbestand des Deutschen Reiches glauben und den Staatsorganen der Bundesrepublik Widerstand leisten, haben am vergangenen Freitag auf einer Thingfeier in der uckermärkischen Gemeinde Löcknitz den 42-jährigen Zerspanungsmechaniker Florian Bohrbach aus Oranienburg zum Kaiser gewählt. Als erste Amtshandlungen hat er die Wiedereinführung der Prügelstrafe in allen Regelschulen und eine Amnestie für Beate Zschäpe angekündigt.

Es ist nicht ganz einfach, zu ihm durchzudringen, denn er ist ungewöhnlich medienscheu. Zu einem Telefoninterview hat er sich nur unter der Bedingung bereitgefunden, dass ihm zunächst alle fünf Strophen von „Heil dir im Siegerkranz“ vorgesungen werden. Als das geschehen ist, kann das Gespräch beginnen.

taz: Sind Eure Hoheit schon inthronisiert worden?

Florian Bohrbach: Wir warten noch auf die Reichskleinodien aus der Wiener Hofburg, also vor allem auf die Reichskrone, die Heilige Lanze, den Reichsapfel, das Zeremonienschwert, das Zepter und den Krönungsmantel. Ohne diese Insignien geht’s nun mal nicht.

Glauben Eure Hoheit denn, dass man sie Euch leihen wird?

Was heißt hier leihen? Wir beanspruchen nur Unser angestammtes Eigentum und haben den Ösis ein Ultimatum gestellt: Wenn sie die Kleinodien nicht bis Sonntag nächster Woche rausrücken, bedeutet das Krieg. Dann wird bis zum letzten Hauch von Mann und Ross gekämpft.

Darf man nach dem Umfang der Streitkräfte Eurer Hoheit fragen?

Das unterliegt der militärischen Geheimhaltung.

Streben Eure Hoheit eine Schreckensherrschaft an?

Nein. Aber wo gehobelt wird, fallen Späne. Man muss sich das Regieren wie einen Zerspanungsbetrieb vorstellen …

Es heißt, dass der Truchsess Eurer Hoheit hingerichtet worden ist, weil er zum Nachtisch Coca-Cola-Eis servieren lassen wollte.

Das verweise ich ins Reich der Fabel. Es war der Mundschenk. Wir haben ihn gevierteilt.

Solche Nadelstiche durch Eure Hoheit werden sich die deutschen Strafverfolgungsbehörden nicht mehr lange bieten lassen …

Darüber kann ich nur lachen. Dieser sogenannte Staat ist ein Koloss auf tönernen Füßen. In den ersten hundert Tagen Unserer Regentschaft werden Wir mit eisernem Besen kehren und nicht nur das Grundgesetz hinwegfegen, sondern auch das Diktat von Versailles und die Habermas-Corpus-Akte von Helsinki!

Wir können Eurer Hoheit nicht ganz folgen …

Macht nichts. Noch Fragen?

Stört es Eure Hoheit, dass Ihr in der Regenbogenpresse keine Rolle spielt? Frau im Spiegel, Das Goldene Blatt, die Neue Post und andere einschlägige Journale berichten bislang nur über die üblichen Verdächtigen von Queen Elizabeth bis Caroline von Monaco.

Das interessiert Uns nicht. Wir sind Abonnent der Fachzeitschrift Fräsen + Bohren und beschäftigen Uns sonst in Unserer Freizeit vornehmlich mit „Resident Evil 7“, wenn Wir nicht gerade damit beschäftigt sind, Theorien über den nächsten „GTA“-Teil zu spinnen oder Uns durch „Assassin’s Creed“ historisch weiterzubilden und ein paar Templer zu klatschen. Wir basteln aber auch gern Kastanienmännchen, und jeden Mittwochnachmittag ist Chortreffen am Wannsee. Kennen Sie das Lied „Die Holzauktion“ von Franz Meißner?

Nein.

Sollten Sie aber. (Singt:) Im Grunewald, im Grunewald ist Holz-auktion, ist Holzauktion, ist Holz-auktion …

Apropos – wie sieht das umweltpolitische Programm Eurer Hoheit aus?

Darum wird sich Unser Großwesir kümmern. Weiter oben rangieren auf Unserer Agenda ein Triumphzug durch sämtliche deutschen Gaue und die Wahrnehmung des Ius primae noctis, das ich mir für jede deutschblütige Braut vorbehalte. Zur Einstimmung auf diese schöne Zeit lesen Wir momentan ­Suetons Kaiserbiografien, und Wir müssen sagen, dass Caligula und Nero echte Hammerkaiser waren. Im Übrigen werden Wir recht viele Monarchen im befreundeten Ausland besuchen. Man ist eben gern unter Seinesgleichen.

Planen Eure Hoheit auch ein Gipfeltreffen mit dem Schlagersänger Roland Kaiser?

Der Name sagt Uns nichts. Wir stehen mehr auf Thrash Metal und Joseph Haydn.

Und was lesen Eure Hoheit so für Bücher?

Zurzeit ganz, ganz, ganz, ganz viel von Hanya Yanagihara. Bei der Lektüre ihres Romans „Ein wenig Leben“ hat der Literaturkritiker Volker Weidermann nach eigenem Bekenntnis ja „unendlich viel geweint“, und das würden Wir auch gern können. Es klappt aber nicht.

Wann haben Eure Hoheit denn das letzte Mal geweint?

Ouh, da fragen Sie Uns was. Mal nachdenken … Wir glauben, das war 1991, als Hertha BSC in die 2. Liga abstieg.

Können Eure Hoheit eigentlich noch anders von sich sprechen als im Pluralis Majestatis?

Wir denken ja gar nicht daran. Sind Ihnen Franz Beckenbauers Autobiografien „Ich“ und „Einer wie ich“ bekannt? Und auch Robert Gernhardts Erzählungsband „Ich Ich Ich“?

Ja.

Das werden Wir alles toppen. Im Verlag Suhrkamp erscheint im Herbst der erste Band Unserer Memoiren unter dem Titel „Welche wie Wir Wir Wir“. Mit einem Vorwort von Dieter Bohlen.

Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg, Euer Hoheit. Schickt uns bitte eine Postkarte, wenn Ihr oben angekommen seid.

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