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Archiv-Artikel

Junge flieht aus Zirkus

FAMILIENHILFE II Jugendamt brachte 11-Jährigen bei Individual-Projekt unter. Nun ist er verschwunden

Von KAJ

Die Hamburger Polizei sucht nach dem elfjährigen Jeremie. Der Junge riss am Dienstag von einem Zirkus-Projekt in Lübtheen in Westmecklenburg aus, und soll in Billstedt bei seiner Großfamilie untergetaucht sein. „Wir gehen nicht davon aus, dass er Opfer einer Straftat ist“, sagt eine Polizeisprecherin.

Nach ersten Meldungen soll Jeremie das Fahrzeug selbst gesteuert haben. Inzwischen gilt auch als denkbar, dass er einen erwachsenen Helfer hatte. Das Auto hat die Polizei am Billstedter Brockhausweg in der Nähe der Großeltern gefunden.

Jeremie lebte dort, war aber vor zwei Jahren als Neunjähriger zu dem Zirkusprojekt Monaco gekommen, weil seine Großeltern nicht mehr mit ihm zurechtkamen. Das Bezirksamt-Mitte erklärte, die Entscheidung, Jeremie dort unterzubringen, sei von der Fallkonferenz getroffen worden. „Es handelt sich um einen zertifizierten Träger“, sagt Sprecherin Sorina Weiland. Bei schwierigen Jugendlichen gebe es auch mal ungewöhnliche Konzepte. Träger ist der „Neukirchner Erziehungsverein“ aus Nordrhein-Westfalen.

„Wir nennen das Individualpädagogik“, sagt dessen Sprecher Ulrich Schäfer. Es gebe ähnliche Projektstellen auf Bauernhöfen und bei anderen Zirkussen. Es sei eine Maßnahmen für Jugendliche, die anders nicht betreut werden können. Die Zirkuspädagogik sei geeignet, um Vertrauen aufzubauen und den jungen Leuten zu zeigen, „ihr könnt was“. Die Familien, die die Kinder aufnehmen, würden durch den Träger begleitet. Alle 14 Tage bis vier Wochen komme ein Sozialpädagoge vorbei, der auch ständig in Rufbereitschaft sei.

Zum Einzelfall will der Träger nichts sagen. Jeremies Großmutter erklärte laut Bild, der Junge hätte Ställe ausmisten müssen und soll „auch geschlagen worden sein“.

Die grüne Jugendpolitikerin Christiane Blömeke hat eine Kleine Anfrage gestellt. Erlebnispädagogik sei ein wichtiger Baustein der Jugendhilfe. Aber die hier beschriebene fachliche Betreuung sei für ein Kind „etwas zu dünn“.  KAJ