piwik no script img

Gysi interviewt Böhmermann

Ortstermin In Berlin traf der Satiriker auf den Politiker. Letzterer versuchte sich als Journalist

Jan Böhmermann hebt seine Arme, und deutlich sieht man die Schweißflecken unter den Achseln. Das Publikum lacht. „Gucken Sie doch bei sich selbst unter die Arme!“, entgegnet Böhmermann gespielt beleidigt. Es ist heiß im Berliner Kabarett-Theater in der Friedrichstraße. Nachdem Gregor Gysi den Satiriker in seiner Fernsehshow „Neo Magazin Royale“ im Mai 2016 besucht hatte, war Böhmermann am vergangenen Sonntag zu „Missverstehen Sie mich richtig!“ eingeladen.

Eigentlich sollten die beiden sich gegenseitig befragen. Stattdessen machte Gysi einen auf Journalist, mit Karteikarten in der Hand führte er das Gespräch, als wolle er ein Portrait über Böhmermann schreiben: Fragen zum Werdegang, seinem Buch, dem Satire-Coup „Varoufake“ und seinem Mentor Harald Schmidt. Mit dem treffe er sich regelmäßig, erzählt Böhmermann, für Segway-Touren und Thermomix-Partys.

Mit Gysi und Böhmermann treffen zwei Generationen aufeinander. Der 36-jährige Böhmermann korrigiert Gysis Aussprache von „YouTube“, der 69-jährige Gysi fragt Böhmermann, wie er es schaffe, die Jugend zu erreichen. Außer ein paar Sticheleien sind die beiden jedoch unerwartet harmonisch.

In einem der wenigen ernsten Momente erzählt Böhmermann von seinem Vater. Er starb an Leukämie, als Böhmermann 17 Jahre alt war. „Die gleiche Form, an der auch Guido Westerwelle gestorben ist“, sagt er.

Erst spät wird es politisch. „Na endlich!“, stöhnt Böhmermann. Zu Erdoğan sagt er: „Ein Undemokrat benutzt die demokratischen Strukturen, um Demokratie abzubauen und eine Fastdiktatur zu errichten.“ Trump habe den Nachteil, sich auf keine Basis verlassen zu können.

Einen satirischen Höhepunkt erreicht das Gespräch, als es um die Erdoğan-Staatsaffäre geht. „Schmähkritik ist, wenn ich Sie auf dem Kieker habe, weil Sie mir die Frau ausgespannt haben“, erklärt Böhmermann, „und ich deswegen in allen möglichen Talkshows ‚Gregor Gysi, Sie kleiner Fickzwerg‘ sage.“ Jurist Gysi scherzt: „Sie kriegen morgen Post.“ Julika Bickel

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen