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Kulturgrätsche mit Caféhaus-Anmutung

Töne II Wohltemperierte Gefälligkeiten: Das Brandt Brauer Frick Ensemble bei der „Klazzik“-Reihe im Konzerthausals Mittler zwischen Club und Couch

Man ist natürlich gespannt, wenn einem musikalische „Grenz­gänger“ versprochen werden oder gar „Klassiker des 21. Jahrhunderts“, wie das das Konzerthaus macht in seiner „Klazzik“-Reihe. In der Saison 2015/16 wurde die am Gendarmenmarkt eingerichtet, um die „oft bemühten Grenzen zwischen E- und U-Musik ganz einfach“ hinter sich zu lassen.

Was konzertsoziologisch eine durchaus interessante Versuchsanordnung ergibt. Am Donnerstag wenigstens dürfte das auf den ersten Blick nicht unbedingt wirklich jugendliche Publikum den generellen Altersschnitt im Konzerthaus schon beträchtlich gesenkt haben. Andererseits fanden an dem Abend aber auch gar nicht so wenige in Habitus und Garderobe ihren Weg ins Konzerthaus-Gestühl, die sich ansonsten nicht auf Popkonzerten herumtreiben würden. Aber es soll ja bei „Klazzik“ im Konzerthaus gar nicht um das E und nicht um das U gehen, sondern um das nach dem Bindestrich: die Musik.

Es spielte also das Brandt Brauer Frick Ensemble, die Berliner Gruppierung, die sich auch auf ihrem aktuellen Album „Joy“ prinzipiell an eine Hörerschaft wendet, die zumindest theoretisch weiß, was ein Club ist – und dass die Musik deswegen trotzdem nicht nur wummern muss in der stark rhythmischen Reihung von Klangstückchen und Melodiepartikeln.

Eine Musik mit motorischer Wucht und mitwippendem Schwung. Mit all den Instrumenten des zehnköpfigen Ensembles vom Flügel über Cello, Geige, Tuba bis hin zur Harfe und in dem prachtvollen Ambiente am Gendarmenmarkt mit dem unbedingten Willen zur Kulturgrätsche an diesem Abend erinnerte das dann irgendwie an Jacques Loussier mit seiner „Play Bach“-Musik. Mit der testete der französische Pianist damals in den Sechzigern die Aufgeschlossenheit von Klassikliebhabern aus, indem er den Barockkomponisten in einer Jazzfassung gab. Was in seiner wohlmeinenden Betulichkeit ein echter Hit in den klassischen Konzertsälen und weit weniger in den Jazzkellern dieser Welt war.

Nachdem aber der Jazz mittlerweile längst wertgeschätztes Kulturgut ist, konnte es an diesem Abend nur darum gehen, dass man selbst aus Techno und der Clubmusik was machen könnte, musikalisch.

Das hatte dann beim Brandt Brauer Frick Ensemble durchaus seine interessanten Stellen, mit vielen Detailangeboten, in die man reinhorchen durfte. Allerlei hübsch Gemachtes findet sich in der Kleinteiligkeit dieser Musik. Und wie sich diese Kleinteiligkeit zu einem Ganzen formte, das dann aber in der musikalischen Addition eben nicht mehr, sondern deutlich weniger als die Summe seiner Teile zu ergeben schien. Trotz forcierter Dynamik hörte sich das alles ermüdend an, nicht vitalisierend in der repetitiven Redundanz.

Als zwischendurch Wayne Snow mit seinen Free Electric Singers auf die Bühne kam, nahm die Sache noch mal etwas Fahrt in Richtung Soul und einem auch über HipHop-Beats vermittelten Pop auf. Mit dem Abgang der Sänger war es dann wieder eine etwas aufgeregtere, für die Hörgewohnheiten der Gegenwart zurechtgemachte Café­hausmusik. Nicht wirklich unerbittlich four to the floor genagelt. Und nicht wirklich so harmonisch ausgehungert, dass es auch mal ungemütlich werden konnte in diesem Kulturcafé, in dem man es eher wohltemperiert haben wollte in der Vermittlung zwischen Club und Couch.

Aber grenzgängerisch und einen „Klassiker“ will man diese kleine Querung jetzt wirklich nicht unbedingt nennen.

Es muss aber ehrlicherweise auch gesagt sein, dass sich das Publikum im fast vollbesetzten Konzerthaus zum Schluss in einer geradezu johlenden Begeisterung fand. Hier und da sogar Standing Ovations.

Noch voller dürfte es im Konzerthaus am 15. Mai beim nächsten „Klazzik“-Termin werden, wenn der kanadische Musiker und Exberliner Chilly Gonzales – mit dem die „Klazzik“-Reihe auch startete – seinen Auftritt haben wird. Thomas Mauch

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