: Im SkischneeschanzenlandLanglauf: Das Salz in der Suppe
WINTERSPORT Die Tage werden kurz, die Sportübertragungen ganz lang. Es wird wieder gehüpft, geskatet und geschossen. Am Wochenende beginnt die vorolympische Saison
■ Auftakt: Neben den Skispringern, den Langläufern und den Biathleten starten am kommenden Wochenende in Lillehammer auch die nordischen Kombinierer in die vorolympische Saison. In der Nordischen Kombination gibt es bereits die erste Absage eines Wettbewerbs. Der Weltcup im türkischen Erzurum musste aus „organisatorischen Gründen“ abgesagt werden. Es fehlte schlicht das Geld. Auch der Biathlon-Weltcup in Oberhof ist gefährdet. Ein neues Funktionsgebäude will einfach nicht fertig werden. Witterungsbedingte Absagen folgen bestimmt noch.
■ Höhepunkte: Die Weltmeisterschaften im nordischen Skisport finden im Februar im italienischen Val di Fiemme statt. Um den Jahreswechsel herum wird in Oberstdorf, Garmisch-Partenkirchen, Innsbruck und Bischofshofen bei der Vierschanzentournee gesprungen. Die Langläufer fahren zur selben Zeit die Tour de Ski aus. Die Biathleten tragen ihre WM im Februar im tschechischen Nove Mesto aus.
■ Neuigkeiten: Zum ersten Mal gibt es in diesem Winter Mixed-Wettbewerbe im Skispringen. Die Springerinnen und Springer werden sich dabei in ganz engen, besonders dünnen Anzügen in die Tiefe stürzen. Materialtricksereien sollen so verhindert werden. Die Nordische Kombination bleibt als einzige Disziplin im Skisport weiter reine Männerangelegenheit.
■ Fernsehen: 420 Stunden wollen ARD und ZDF von der Wintersportsaison berichten. Das sind 25.200 Minuten, so lang wie 280 Fußballspiele. Am Freitag um 16.15 Uhr beginnt das Zweite den nordischen Winter mit der Übertragung des Springens aus Lillehammer. Als Experten sind u.a. Rotköpfchen Kati Wilhelm (Biathlon), Gute-Laune-Maschine Peter Schlickenrieder (Langlauf) und Skisprung-Professor Toni Innauer angeheuert.
Es sind nicht weniger als 420 Stunden Wintersport, die ARD und ZDF in der kalten Jahreszeit versenden werden. 420 Stunden. Na, dann Ski heil! Morgen geht’s mit Skispringen los. Aber auch die Langläufer gehen an diesem Wochenende in die Loipe, an deren Rand nun nicht mehr Bundestrainer Jochen Behle stehen und „die Steffi“ oder „den Tobi“ antreiben wird.
Behle ist im Frühjahr zurückgetreten und arbeitet mittlerweile als Sportdirektor im Westdeutschen und Hessischen Skiverband. Übernommen hat ein alter Bekannter aus der Biathlon-Szene: Frank Ullrich. Er war schon 1986 Langlauftrainer der DDR-Biathleten und hat damals auch mit den blauen Dopingpillen, Oral-Turinabol, zu tun gehabt. Aber weil sich der Biathlon-Olympiasieger von 1980 partout nicht an die Medikamente erinnern will, hat ihm sogar der Deutsche Ski-Verband einen „unbewusst gesteuerten Verdrängungsmechanismus“ attestiert. Seiner Karriere im Verband hat das allerdings noch nie geschadet. Die Ullrich’sche Amnesie in Sachen Doping führt dazu, dass er, angesprochen auf das heikle Thema, entweder etwas von leistungssteigernden „Mineralsalzen“ erzählt oder unwirsch wird.
Der ehemalige Offizier der Nationalen Volksarmee ist ein Mann, der Disziplin liebt und Leistung honoriert. Während Behle seinen Athleten gewisse Freiräume ließ, bevorzugt Ullrich die zentrale Steuerung der Trainingsmaßnahmen. Der 54-jährige Thüringer hat es gern militärisch korrekt und zackig. Er wird es mit seinen speziellen Ansprüchen nicht einfach haben, denn das deutsche Langlaufteam kann immer seltener mit den Schweden, Norwegern oder Einzelläufern aus Kanada, Finnland, der Schweiz oder Tschechien mithalten. Behle prognostizierte dem deutschen Langlauf schwere Zeiten. Die Jugend wolle sich nicht mehr quälen, sie sei bequem geworden. Ergo kämen zu wenig talentierte Jugendliche nach. Ullrich wollte das so nicht stehen lassen und widersprach. Er sehe „Steigerungspotenzial“ in der Mannschaft. „Wenn man es schwarz sieht, dann wird es auch schwarz. Man muss jetzt offensiv an viele Dinge herangehen“, sagte Ullrich: „Wir haben so viele Leute, die auf den richtigen Weg mitgenommen werden müssen. Aber es wird ein knochenhartes Unternehmen.“ Dass Frank Ullrich knochenhart sein kann, ist bekannt. „Manches läuft gut, manches ist mühsam“, hat er vorm Saisonstart in Gällivare/Schweden gesagt. „Wir sind sicher keine Favoriten. Aber wir haben uns zusammengerauft.“ Und wenn es noch nicht rundläuft, dann helfen vielleicht ein paar Mineralsalze. MARKUS VÖLKER
Biathlon: Blondine auf Skijagd
Magdalena Neuner ist wieder unterwegs. Am Mittwoch war sie in Hof und hat in einem Sportgeschäft Autogramme gegeben. Die beste deutsche Biathletin aller Zeiten (GröBaZ) ist das Werbegesicht einer Krankenversicherung. Seit sie sich entschieden hat, keine Rennen mehr zu laufen, tourt sie durch Bayern und unterschriebt Autogrammkarten in Sportgeschäften. Ab und zu posiert sie im feschen Dirndl hinter irgendwelchen Herden und sagt, wie schön das Hausfrauenleben ist und dass sie sich schon auf die neue Biathlon-Saison freut, die sie sich auf dem heimischen Sofa am Fernseher anschauen will. Von den 420 Stunden, die die Öffentlich-Rechtlichen vom Wintersport in dieser Saison übertragen wollen, wird traditionell ein Großteil dem Biathlon gewidmet.
Am Sonntag geht es los. Da starten Neuners ehemalige Kollegen und Kolleginnen in Östersund in der Mixed-Staffel in die Saison. Die erste Weltcup-Woche findet dabei noch ohne die prominente Umschülerin Evi Sachenbacher-Stehle statt. Die Langläuferin, die in der Vergangenheit nicht nur wegen ihrer sportliche Erfolge (zwei olympische Goldmedaillen), sondern auch wegen bisweilen abnormaler Blutwerte aufgefallen ist, hat sich nach dem Ende der vergangenen Saison entschlossen, Biathletin zu werden und muss noch ein bisschen üben. Vor allem das Schießen bei windigem Winterwetter, wie sie es im letzten Trainingslager vor der Saison im finnischen Mounio erlebt hat, macht ihr noch Probleme. Der Deutsche Skiverband kann medienwirksame Gesichter für seine beliebteste Disziplin gut gebrauchen und machte sich im Frühjahr an die Umschulung der 31-Jährigen. Die kann als blonde Bayerin die ausgeschiedene Neuner bis jetzt nur optisch und akustisch gleichwertig ersetzen. Ihre Trainingsleistungen am Schießstand sind immerhin so gut, dass ihr Frauenbundestrainer Ricco Groß einen Start beim Weltcup Mitte Dezember im slowakischen Pokljuka in Aussicht gestellt hat. Davor muss sich Sachenbacher-Stehle eine Kategorie tiefer beweisen: beim IBU-Cup in Idre (Schweden) und Beitostølen (Norwegen).
Nach Neuners Abschied waren noch andere Langläuferinnen gefragt worden, ob sie nicht auch schießen wollen. Thomas Pfüller, der Generalsekretär des DSV, wollte unbedingt alle größeren Talente zu einem Wechsel in der Deutschen liebsten Wintersport überreden. Außer Sachenbacher-Stehle hat sich nur die junge Schlierseerin Vanessa Hinz (20) für den Sport an der Waffe entschieden. Blond ist sie zwar nicht, aber Bayerin. ANDREAS RÜTTENAUER
Skispringen: Amerikanische Kichertante
Skisprung-Frauen besitzen ein eher überschaubares Maß an Tradition und Popularität. Der diesjährige Weltcup ist erst der zweite, den die Flugkünstlerinnen überhaupt bestreiten. Zuvor war der Skisprung-Continental-Cup das Maß aller Dinge. Der fand sowohl im Winter als auch zur warmen Jahreszeit statt. Nun haben die Frauen mit den Männern gleichgezogen.
Als Favoritin auf den Gesamtsieg dürfte Sarah Hendrickson (USA) gelten: Ihr Spitzname „Giggles“ (Kichertante) hat mit der Art und Weise, wie sie Skispringen betreibt, wenig zu tun. Wer sich mit zwei Jahren das erste Mal Sprungski anschnallt (oder anschnallen lässt) und im Alter von 17 bereits Teil des amerikanisch-nordischen Ski-Teams ist, dem kann eine gewisse Ernsthaftigkeit im Sport nun wirklich nicht abgesprochen werden. Sie war es, die im vergangenen Jahr den ersten Weltcup-Wettbewerb überhaupt gewann. Es folgten acht weitere Siege bei insgesamt 13 Wettkämpfen. In der Gesamtwertung hatte Hendrickson am Ende über 400 Punkte Vorsprung auf Platz zwei. Dass der Erfolg der mittlerweile Volljährigen aus Salt Lake City kein Zufall ist, bewies sie bereits 2010 bei den Juniorenweltmeisterschaften, als sie sich die Bronzemedaille sicherte. 2012 gab es im gleichen Wettbewerb Silber.
Der Mixed-Wettbewerb, bei dem die Einzelleistungen von je zwei Frauen und Männern zu einem Gesamtergebnis verrechnet werden, feiert heute in Lillehammer Premiere. Dieser Wettbewerb aber dürfte für die US-Amerikanerin nicht so von Bedeutung sein: Im Gegensatz zu ihr spielen die US-Boys in der Einzel-und Teamwertung nämlich keine Rolle. So wird zwangsläufig auch im Mixed nicht mit den Amis zu rechnen sein, ganz im Gegensatz zu den Österreichern, deren Springerin Daniela Iraschko die letzte Saison hinter Hendrickson als Zweite beendete. Ohne Zweifel wird sich diese Disziplin durch die Teilnahme männlicher Idole auch auf die Popularität des Frauenspringens auswirken.
Das deutsche Team ist zum Auftakt in Norwegen mit sechs Athletinnen vertreten. Katharina Althaus, Melanie Faißt, Juliane Seyfahrt, Carina Voigt, Svenja Würth und Ulrike Gräßler werden an den Start gehen und den DSV vertreten. Gräßler blickt recht optimistisch in die neue Saison: „Ich fühle mich gut und freue mich auf den Start in den WM-Winter.“ Nach einer gelungenen Vorsaison mit einem vierten Platz in der Gesamtwertung hofft Gräßler auf weitere Erfolge. Bundestrainer Andreas Bauer möchte neben einem erfolgreichem Abschneiden seiner Schützlinge im Einzelwettbewerb auch in der Mixed-Disziplin ein Ausrufezeichen setzen.
Dass der Skisprung der Frauen langsam auf Touren kommt, zeigt seine Aufnahme ins olympische Programm. 2014 in Sotschi werden Frauen auf Weitenjagd gehen. DAN STORBECK