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Still dem Steinway lauschen

TON Die Yellow Lounge verbindet unpeinlich Clubmusik und Klassik – auch beim Auftritt von Víkingur Ólafsson und Tale Of Us

Wow. Das ist groß. Gewaltig. Unheimlich. Rührend.

Mucksmäuschenstill ist es gegen halb elf im Großen Sendesaal des Funkhauses Berlin, rund tausend Menschen lauschen den leisen Tönen, die aus einem Steinway-Flügel kommen und schwer, fast bleiern im Raum liegen. Hinter dem Flügel sitzt der isländische Pianist Víkingur Ólafsson, und er spielt die „Etude No. 5“ und „Etude No. 6“ von Philip Glass hintereinanderweg. Tolle Werke minimalistischer Klaviermusik sind das; Ólafsson findet zu einer sehr eigenen Interpretation der Stücke – vor allem ersteres Stück spielt er in langsamem, scheinbar die Zeit anhaltendem Tempo.

Der 33-jährige Pianist aus Reyk­javík, gefeierter Star der Szene und jüngst schon im Konzerthaus zu erleben, bestreitet am Dienstag den ersten Teil des Abends im Rahmen der von der Deutschen Grammophon ausgerichteten Yellow Lounge. Im zweiten Teil soll dann der Steinway gegen (analoge) Synthesizer ausgetauscht werden, als Tale Of Us auftreten. Auch das in Berlin beheimatete Duo, bekannt für seine Melange aus Minimal Music, House, Techno und Kraut, passt mit dieser Mixtur bestens in diese Konzertreihe.

Bewährtes Format

Denn die Yellow Lounge, 2001 in Berlin gegründet, steht für die Verbindung von Clubmusik, Elektronik und Klassik und ist inzwischen ein international bewährtes Format. Sie steht auch für einen Gegenentwurf zu so manch hochnotpeinlichen Pop-meets-Classic-Veranstaltungen hierzulande. Der für seine gute Akustik bekannte, altehrwürdige Saal des ehemaligen DDR-Funkhauses in Oberschöneweide, einst Honeckers Stolz, bietet dafür an diesem Abend die richtige Bühne.

Bei dem fulminanten Auftritt von Ólafsson, der etwa eine halbe Stunde dauert, ist erfreulich, dass der Mann mit der ins Gesicht hängenden Strähne zwischendurch viel erzählt; etwa, wie er zur Glass’schen Musik gefunden hat. Zum ersten Mal gehört habe er Philip Glass’ Stücke auf einer Autofahrt im Urlaub mit den Eltern in Frankreich: Ólafsson, 13-jährig, habe mit seinen Geschwistern während der Fahrt rumgequengelt, der Vater sei entsprechend genervt gewesen. Mehr aus Verzweiflung habe dieser dann ­Musik von Philip Glass eingeworfen und gesagt: „Hört euch das an.“ Danach seien sie still gewesen.

Still ist es auch die meiste Zeit, während Ólafsson seinen anmutigen Piano-Sound vorträgt, behutsam tastend. Nur zwischendurch stört das Klimpern mit den Flaschen und der Durchlauf im (unbestuhlten) Saal – bei dieser leisen Musik, wo es auf jede Nuance ankommt, stieß das eigentlich erfreulich offene Setting an seine Grenzen.

Bei Tale Of Us, deren Stücke an diesem Abend zwischen Ambient-Sound, Geplucker und elegischen Piano-Einschüben changieren, gibt es einige große Momente – insgesamt aber ist es ein Set, bei dem nicht viel hängenbleibt. Dazu hat es zu wenige Ausreißer; man erwartet – zumal nach einer Anmoderation, in der gesagt wird, nun würde es „knallen“ –, dass doch irgendwann ein Flow mit stärkerem Einsatz von Beats kommt, aber es bleibt bei schönen, elegischen Klängen, denen stellenweise der Kick fehlt.

Gegen Mitternacht endet die Klassikclubnacht und die Besucher gehen über zur After-Hour. Jens Uthoff

Víkingur Ólafsson: „Philip Glass: Piano Works“ (Deutsche Grammophon/Universal)

Tale Of Us: „Endless“ (Deutsche Grammophon/Universal), ab 31. März

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