: Tschüs bis Mittwoch
VON LUKAS WALLRAFF
Union und SPD haben sich nach ihrem zweiten Sondierungstreffen gestern Abend zuversichtlich gezeigt, dass sie eine große Koalition zustande bekommen werden. CDU-Chefin und Kanzlerkandidatin Angela Merkel sprach von einem „sinnvollen, nützlichen Gespräch“. Der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering bezeichnete die Zusammenkunft als „fruchtbar“ und teilte mit, man habe vereinbart, die Gespräche über eine mögliche gemeinsame Regierungsbildung am kommenden Mittwoch fortzusetzen.
Beide Seiten betonten ihre Kompromissbereitschaft in inhaltlichen Fragen. Personalfragen seien gestern „nicht auf der Tagesordnung“ gewesen, sagte Müntefering. So blieben Union und SPD im Streit um die wichtigste Personalfrage auch hinterher bei ihren unterschiedlichen Positionen. „Es ist klar, was zwischen uns noch steht“, erklärte Merkel, „das ist der Anspruch der Union auf die Kanzlerschaft.“ Wenn die SPD dies nicht anerkenne, könne sie ihrer Partei „nicht empfehlen“, Koalitionsverhandlungen aufzunehmen. Kanzler Gerhard Schröder und Müntefering wiederholten den Anspruch der SPD auf das Amt vor der Presse nicht ausdrücklich. „In einer solchen Phase personalpolitische Ultimaten zu stellen, ist falsch“, sagte Schröder. Müntefering betonte, man habe bei dem Gespräch „festgestellt, dass wir uns auf gleicher Augenhöhe begegnen“. Sollte es zu einer Koalition kommen, werde es „keinen Seniorpartner“ und „keinen Juniorpartner“ geben.
Merkel erklärte sich zu weiteren Gesprächen bereit, obwohl die SPD noch nicht auf ihren Kanzleranspruch verzichtet hat. Für eine Koalitionsbildung seien jedoch noch eine „Vielzahl von Schritten“ notwendig. Inhaltlich gingen die beiden Parteien vorsichtig aufeinander zu. Müntefering schloss nicht aus, eine von der Union gewünschte Mehrwertsteuererhöhung mitzutragen. Aus der CDU/CSU hieß es im Gegenzug, man sei bei arbeitsrechtlichen Fragen wie dem Kündigungsschutz kompromissbereit.
Vor der Nachwahl im Stimmkreis Dresden I am Sonntag seien keine wesentlichen Entscheidungen zu erwarten, hieß es. Das Ergebnis wird die Mehrheitsverhältnisse zwar nicht mehr grundlegend verändern. Die Union wird stärkste Fraktion bleiben. „Es könnte wegen der komplizierten Situation bei den Zweitstimmen aber passieren, dass unser Vorsprung auf einen Sitz zusammenschrumpft“, sagte CDU-Generalsekretär Volker Kauder der Süddeutschen Zeitung.
Müntefering signalisierte vor Beginn für seine Partei den Willen zur großen Koalition. „Nach allen Gesprächen, die es seit dem Wahlsonntag zwischen den Parteien gegeben hat, wäre dies die plausibelste und aussichtsreichste Lösung.“
Müntefering erklärte, das Ziel in Gesprächen mit der Union sei „eine Koalition auf Augenhöhe – mit Gerhard Schröder als Kanzler“. Der ehemalige Hamburger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi (SPD) dagegen appellierte an Schröder und seine Partei, den Anspruch auf die Kanzlerschaft aufzugeben.