Theorie und Wirklichkeit: Zirkel-Schulter-Schluss
Hamburger Soundtrack
von Nils Schuhmacher
Zitierzirkel existieren in verschiedenen Varianten. Die erste ist die wohl verbreitetste, hat aber mit Zitaten weniger zu tun als mit gemütlichem Beisammensein, das sich in Grußlisten auf Platten (eher out) und der handelsüblichen Bildung von „Rackets“ ausdrückt. Neben diesem „Man kennt und unterstützt sich“-Prinzip findet sich die Kontroverse, vor allem natürlich im Hip-Hop, in rudimentären Formen, aber auch im Pop. Grundprinzip: Man schmiert einem anderen etwas aufs Brot, weil er einem etwas aufs Brot geschmiert hat (siehe Tomte gg. 1000 Robota). Es gewinnt dann der, der sich für origineller hält.
Die beste Variante aber stellt die kreative Verformung in den Mittelpunkt. Sie mobilisiert so schönste Assoziationen, bezieht also die Hörer endlich mal ein. Und schon begleiten diese zum Beispiel die hoffnungsvolle Post-Punk-Gruppe Human Abfall (5. 3. Hafenklang) auf einen wahren Parforceritt durch die Geschmäcker. „Knietief im Falschen“ lautet der Opener ihrer neuesten Platte. Aha, das klingt doch wirklich stark nach Fehlfarbens „Knietief im Dispo“, sagen viele zurecht und empfinden das als eine taufrische Referenz.
Wer mit humanistischer Bildung versorgt wurde, sieht aber natürlich gleichzeitig auch den supercleveren Verweis auf die Kritische Theorie. Von ihr kennen wir nicht nur den Racket-Begriff. Wir wissen auch, dass im Falschen gar nichts geht, nicht mal, wenn man nur die Hände darin badet. So weit so kritisch.
Aber man weiß ja auch, dass die Theorie an der Wirklichkeit ein ums andere Mal zerschellt. Etwa, wenn man bei „Knietief im Dispo“ plötzlich an „Beinhart wie ein Rocker“ denken muss und damit bei einem Tiefpunkt namens Klaus & Klaus angekommen ist. Die Säulenheiligen des deutschen Post-Punk-Zitierwesens in trauter Eintracht plötzlich Teil einer Gruppe, „die in Sachen Gute Stimmung was zu sagen“ hat? Alles ist möglich. Nicht nur im hiesigen Zitierkartell, sondern auch auf „Karneval Kult Hits“ von 2012. Mit Klaus & Klaus und Fehlfarben.
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