: THEATER
TheaterEsther Slevogtbetrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen
Dass Frank Castorf nach fünfundzwanzig Jahren Volksbühnenintendanz einfach leise Servus sagen würde, war nicht zu erwarten. Ein Vierteljahrhundert ist schließlich kein Pappenstiel – eine Zeit auch, in der das Haus am Rosa-Luxemburg-Platz sehr lange das prägendste deutsche Theater war. Im Herbst übernimmt nun Chris Dercon, der sich immer wieder über die deutsche Lust, sich an Identitätsfragen abzuarbeiten, mokiert und lieber internationale Geschichte erzählen will. Frank Castorf wählt für seine letzte Premiere als Volksbühnenintendant nun DAS DEUTSCHE DRAMA schlechthin: Goethes Faust. Das Stück erzählte allerdings schon vor zweihundert Jahren eine globale Geschichte: die Geschichte des an der Aufklärung und der Vernunft verzweifelnden weißen männlichen Heteros, der die Erde und die Frauen immer nur unterjochen, aber nicht befreien kann. Sich selbst natürlich deswegen auch nicht. So geht er den Pakt mit Mephisto ein, der dunklen Seite der Vernunft. Doch damit nimmt das Verhängnis erst recht seinen Lauf. Ja, und Frank Castorf, so verkündet es die Volksbühne nun, will anhand des berühmten Stoffs noch einmal die verhängnisvolle Geschichte des „männlichen“ Prinzips und seiner Ausweglosigkeit erzählen, eines Prinzips, das für Castorf auch den Kern der Betriebslogik des Neoliberalismus ausmacht. Und von Kolonialismus, Gewalt, Terror und Unterdrückung. „Das Männliche ist das Vergängliche“, hört man aus Castorfs Volksbühne im Abschiedsmodus frei nach Goethe, der immer wieder auch ein gewisses Machotum vorgehalten wird. „Das ewig Weibliche aber zieht uns hinan.“ (Volksbühne, Premiere 3. 3., 18 Uhr)
Zu so viel Abschied und wuchtigen Männerthemen ist dann aber vielleicht ein Gegenmittel nötig. Das hat das Haus der Kulturen der Welt im Programm, wo die Transmediale 2017 mit der Performance „The Language oft he Future“ der großen Multimediakünstlerin Laurie Anderson zur Zukunft zu Ende geht. (HKW, 4. & 5. 3., jeweils 20 Uhr).
Ja, und dann kommt noch einmal Goethe, und zwar sein Briefroman über einen Selbstmörder namens Werther. Welche Relevanz hat dieses gefühlsüberladene Buch über einen liebeskranken jungen Mann noch in den heutigen Zeiten? Das haben sich bereits vor zwanzig Jahren der Regisseur Nicolas Stemann und der Schauspieler Philipp Hochmair gefragt und einen längst legendären Soloabend „Werther!“ über einen tödlichen Egotrip geschaffen, der seit seiner Premiere schon um die ganze Welt gereist ist. Nun macht er nach langer Zeit wieder Station in Berlin (Berliner Ensemble, Gastspiel, 6. 3., 19.30 Uhr).
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen