: Last der Gedanken
Volker Finke bricht einen Rekord. Er ist seit dem heutigen Freitag der dienstälteste Trainer der Fußball-Bundesliga
Volker Finke ist seit 14 Jahren, 2 Monaten und 30 Tagen Trainer des SC Freiburg, länger als Otto Rehhagel beim SV Werder Bremen. Die taz beantwortet drei Fragen zur Finke’schen Schaffensperiode im Badischen.
War der SC Freiburg je anders?
„Auf bestimmte Dinge legen wir mehr Wert als andere. Bestimmte Dinge haben wir immer noch exklusiv“, sagt Finke. Für diese Zeitung war das immer schon nichts als eine Arbeitshypothese, die eigentlich so lauten müsste: „In Freiburg ist alles nicht anders. Ist nicht alles anders. Es ist anders. Einerseits. Andererseits ist es so, dass das andere so eingeführt wird, dass irgendetwas anderes als das andere unnormal wäre.“ Was ist das Andere? Der Kurzpass? Der Sonnenkollektor? Die „kickende Grundwertekommission“, die taktisch anspruchsvoll agiert, zudem auf der Basis von respektvollem Miteinander und gelebtem Integrationswillen? Für die SZ offenbart sich das Andere selbst im Mobiliar der Geschäftsstelle. Angesichts eines „lichten Flurs“, eines „Tischs aus Naturholz“, auf dem „Deckchen mit Kaffeeflecken“ lagern, schließt sich der Zirkel. Und das Schöne dabei, der Freiburger ist zwar anders, aber deswegen keine Gefahr. „Die Umfunktionierung eines Fußballspiels in eine quasi-gesellschaftspolitische Entscheidungsschlacht bringt bedeutend mehr Spaß als Sitzblockaden bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. Und in 90 Minuten kann allerhand ablassen, wer seine eigene Mannschaft nach Kräften anfeuert. Das gefällt sogar jenen, die normalerweise um ihre Pfründe und den gesellschaftlichen Status quo fürchten“, erkannte Max. Deswegen ist die Mär vom Gegenmodell „übertrieben“, so Finke. Die Rettung kommt von den Rändern, hieß es einst, doch die Ränder sind auch beim SC ausgefranst.
Hat Finke Trends gesetzt?
Fußball wird in zwei Schulen gelehrt. „Es gibt Konzeptfußball gegen Herrenfußball“, erklärt Finke jedem, der es hören will. Konzeptfußball ist der gute Fußball. Finke lässt ihn spielen. Natürlich. „Meine Philosophie ist: Ich stelle die elf Spieler auf, die am besten zusammenspielen. Bei diesem Konzept ist es eben nie so, dass du zwei Leute hast, denen sich alle anderen unterordnen.“ Die Vertreter des Herrenfußballs aber meinen: „Ich hole die besten 15 Fußballer Deutschlands zusammen und stecke die in ein halbwegs nachvollziehbares System.“ Die Besten der Besten werden von ein, zwei Leitwölfen angeführt. Doch das birgt Risiken: „Was ist denn, wenn diese beiden Herren ihre Launen kriegen? Wenn die sich mit dem Trainer streiten?“ Überhaupt sei es der „größte Quatsch in der gesamten Einschätzung des Fußballs, dass es Leitwölfe geben müsse und irgendwelche großen Zampanos.“ Den Konzeptionisten also ist das Kollektiv alles, den Herrenfußballern der Star. „Kontinuierlich eine eigene Handschrift entwickeln – das ist Konzeptfußball.“
Was ist dran am Mythos SC?
Es ist schick, mit Freiburg oder St. Pauli zu sympathisieren. Vor allem in Kreisen derer, die schon mal ein Buch von Karl Jasper, Max Weber und Martin Heidegger in der Hand hielten. Die drei konnten in Freiburg hervorragend denken. Heidegger spielte in der Jugend des FC Meßkirch und quartierte sich bei Fußballübertragungen regelmäßig bei Freiburger Bekannten ein. Von der Last der Gedanken ist auch der SC nicht frei, weswegen die Zeit festgestellt hat: „Die Sehnsucht der Intellektuellen hat einen Namen: Sportclub Freiburg.“ Irgendwie wird beim SC die Theorie des kommunikativen Handelns in Fußballsprache übersetzt. Man will das liebe Gewohnte bewahren und es vor dem Eindringen des Fremden (Verwaltungskram, das Böse, Franz Beckenbauer) bewahren. Warum? Damit die behagliche Lebenswelt, die Finke geschaffen hat, nicht okkupiert wird. Logisch also, dass „der Club aus dem Süden im Flutlicht einer besseren Welt“ liegt. Auch für Spieler ist ein Denkvorsprung empfehlenswert. Sagt Finke. Nur Präsident Achim Stocker muss sich noch mal mit der ontologischen Differenz befassen. Über einen Autor des Stadionheftes Heimspiel kolportierte er: „Intellektueller hoch fünf, gefährlich.“ Finke hat die Umarmungsversuche der Intellektuellen abgewehrt, meistens jedenfalls. „Wir haben hier einen ganz normalen Profibetrieb“, erklärte er. Die Klischees seien nie von ihm ausgegangen: „Es stimmt nicht, dass wir links, alternativ und ökologisch sind. Wir versuchen nur, aus unseren Möglichkeiten das Beste zu machen.“ Mit jedem nutzlosen Widerruf jedoch schienen sich die Mythen zu verfestigen. Finke: „Furchtbar, diese selbst gestrickten Mythen. Für mich ein Indiz, dass der Laden bald zusammenbricht.“ Nicht nur dass der „Mythos vom linksalternativen Kickerkollektiv immer eine schöne Illusion“ war, geradelt wurde auch nur, so Torhüter Richard Golz, weil im Breisgau immer die Sonne scheint. Und zu allem Übel stellte die FAZ fest: „Neben dem Trainingsplatz, wo früher Fahrräder abgestellt wurden, dominieren nun die Cabrios.“ Da schau an. MARKUS VÖLKER