: Lange vor Darwin
betr.: „Und sie bewegt sich doch nicht“, taz vom 27. 9. 05
Dem äußerst unterhaltsamen Artikel über die Flat Earth Society hätte ein wenig mehr Recherche über die geschichtlichen Hintergründe der Erdvorstellungen nicht geschadet. Es wird mitnichten „ewig unbeweisbar bleiben“, dass spätestens seit der griechischen Antike den allermeisten gebildeten Menschen klar war, dass die Erde eine Kugel ist, denn es gibt hunderte schriftlicher Belege dafür. Ein Seefahrervolk wie die Griechen konnte nicht übersehen, dass man von einem am Horizont „auftauchenden“ Schiff zuerst den Mast sieht, und musste dies auf die Rundung der Erde zurückführen.
Am Weltbild des Kopernikus war nicht neu und auch nicht umstritten, dass die Erde eine Kugel ist – denn das war sie bei Ptolemäus (2. Jh. v. Chr.) selbstverständlich auch schon –, sondern dass sie nicht mehr im Zentrum stand. Bereits Eratosthenes (3. Jh. v. Chr.) hatte den Erdumfang sehr genau berechnet. Auch im Mittelalter war dieses Wissen nicht verloren gegangen: Macrobius (4. Jh.), Capella (5. Jh.), Beda Venerabilis (8. Jh.) und viele andere beschrieben ausdrücklich die Kugelgestalt der Erde. Der theologische Streit darüber, ob auf der Südseite „Antipoden“ leben, die man wegen der tödlichen Hitze am Äquator aber nicht erreichen könne, zeugt davon, dass auch die Kirche nie an eine Erdscheibe glaubte. Der Mythos dieses angeblichen Glaubens im Mittelalter entstand aus sehr verschiedenen Gründen bereits seit dem 15. Jahrhundert, lange vor Darwin.
DANIEL BUNCIC, Bonn
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