Große Ziele, kleine Aktionen

Die Globalisierungskritiker setzen auf Lobbyarbeit, weil Massenproteste bei der Hongkong-Konferenz zur Handelsliberalisierung nur schwer zu organisieren sind

„Hongkong platzen lassen“ – die Globalisierungskritiker haben sich für die Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) viel vorgenommen. Vom 13. bis 18. Dezember treffen sich Handelsminister aller WTO-Staaten in der chinesischen Hafenstadt, um über Liberalisierungen im Dienstleistungs- und Agrarbereich zu entscheiden. Vertreter mehrerer Entwicklungshilfeorganisationen sowie das Netzwerk Attac treffen sich an diesem Wochenende in Stuttgart, um den Protest dagegen vorzubereiten.

Doch anders als in Seattle 1999 oder auch im mexikanischen Cancún 2003 stellt sich die Frage: Wie organisiert man Massenproteste in einem Land, das dafür bekannt ist, Demonstrationen in der Regel blutig niederzuschlagen?

„Demos mit mehreren hunderttausend Teilnehmern wird es in Hongkong ganz sicher nicht geben“, weiß Markus Steigenberger von der Umweltorganisation „Friends of the Earth“, dem internationalen Dachverband vom BUND. Seine Organisation setzt auf Kleinaktionen, die medienwirksame Bilder liefern. Ähnlich sehen es die Aktivisten von Attac. Als vor zwei Jahren in Cancún der US-Außenhandelsbeauftragte auftrat, wurde er von einigen der offiziell akkreditierten NGO-Vertreter mit Mais beworfen, um gegen die WTO-Unterstützung für gentechnisch veränderte Produkte zu protestieren. Auf diesem Level könne man sich ja auch Gehör verschaffen, sagte Attac-Aktivistin Pia Eberhardt. Weil von Attac nur drei Vertreter nach Hongkong fliegen werden, setzen die Globalisierungskritiker den Protestschwerpunkt auf den globalen Aktionstag am 10. Dezember. An diesem Tag wollen sie in mehreren deutschen Städten mit Aktionen auf die WTO-Tagung aufmerksam machen.

Daniel Mittler von Greenpeace hingegen will Massenproteste in Hongkong gar nicht ausschließen. Immerhin habe es in der ehemaligen britischen Kronkolonie bis zur Rückgabe an China die größten Demonstrationen für Demokratie und Menschenrechte überhaupt gegeben. Schwieriger sei die Frage, ob sich eine Stadt, die durch den Freihandel reich geworden ist, auch für dessen Schattenseiten interessiere. Greenpeace setzt dort daher auf Aufklärung.

Ob die WTO-Verhandlungen erneut zum Scheitern gebracht werden, wird wohl auch nicht so sehr davon abhängen, wie viele Menschen tatsächlich durch Hongkongs Straßen ziehen werden. Michael Frein vom Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) spricht von der so genannten Derailment-Strategy (Entgleisungsstrategie). Organisiert im „Our World ist not for Sale“-Netzwerk tarieren hunderte von NGOs aus, auf welche Länder es sich lohnt, politischen Druck auszuüben, um sie dazu zu bewegen, die Verhandlungen zum Scheitern zu bringen. Zumindest in Cancún hatten die NGOs mit dieser Strategie Erfolg. FELIX LEE