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Die Worte verlaufen im Sand

FLUCHT Eine reichlich verwirrende autobiografische Liebesaffäre zwischen Seoul und Hamburg: „On the Beach at Night Alone“ des südkoreanischen Regisseurs Hong Sangsoo (Wettbewerb)

Bei einem Spaziergang in einem Park in der Hansestadt Hamburg geht Younghee (Kim Minhee) an einer kleinen Brücke aus Holz in die Knie. Sie bleibt stumm, im Gebet. Sie wünscht sich, wie sie hinterher sagt, auf einer Bank im Park in Hamburg, eine Zukunft, die sie nach ihren eigenen Wünschen zu leben vermag.

Sie ist eher unfreiwillig aus Südkorea nach Hamburg gegangen. Fast könnte man meinen, sie ist dorthin geflohen. Denn sie hatte eine Affäre mit einem verheirateten Mann, er Regisseur, sie Schauspielerin. Es nützt vielleicht eher, als dass es schadet, wenn man weiß, dass auch Hong Sangsoo, der Regisseur von „Bamui haebyun-eoseo honja“ (On the Beach at Night Alone), eine Affäre hatte mit einer Schauspielerin.

Ausgemachter Skandal

In Südkorea war das ein ausgemachter Skandal. Es nützt, aber es ist auch nicht sonderlich wichtig. Denn einfach autobiografisch sind Hong Sang­soos Filme ohnehin nie. Autobiografisch vielleicht, aber einfach niemals. Von Hamburg, wo ein krebskranker Mann am Klavier ein Kinderlied spielt, geht es im zweiten Teil des Films zurück nach Südkorea. Der erste Teil endet am Ufer der Elbe. Younghees Freunde gehen nach rechts, wohin ihnen die Kamera folgt. Dann schwenkt sie zurück: Man sieht Younghees Spuren im Sand, sie selbst aber ist nicht zu sehen. Die Kamera schwenkt weiter nach links: Da trägt einer, der keine Rolle spielt, Younghee aus dem ersten Teil dieser Geschichte davon. Im zweiten Teil putzt der, der keine Rolle spielt, sehr frenetisch ein Fenster; aber nichts wird dadurch klarer, nichts wird erhellt.

Wie immer bei Hong gibt es Gespräche, bei denen sich die Wörter verirren, auf der Suche nach ihrem Sinn. Die Menschen trinken und die Wörter werden betrunken. Sätze kehren wieder wie nicht ganz gescheit. Sätze über die Liebe, das Alter; das Alter, die Liebe; die Liebe, das Alter. Die Sätze und die Wörter sind tief empfunden, aber sie bedeuten nicht, was sie sagen, jedenfalls nicht einfach so. Anders als in manchen anderen Filmen von Hong liegt in „On the Beach at Night Alone“ – so heißt übrigens auch eines der kosmischsten Gedichte Walt Whitmans – der Schmerz offen zutage.

Er irrt durch den Film, er geht in verletzenden Wörtern, im Körper, im verletzten Gesicht Younghees vor Anker, aber immer nur kurz. Dann legt sie sich hin, allein, am Strand, und träumt einen Traum, der die reine Wahrheit enthält. So total wie hier hat Hong noch selten eine weibliche Figur ins Zentrum gestellt. Männer sitzen hier buchstäblich in den meisten Einstellungen am Rand.

Verletzte Frau

Während es sonst bei Hong so oft darum geht, wie sie Frauen auf erbärmliche Weise verletzen, geht es hier um die Verletzung der Frau. Die wie alle Menschen bei Hong eine Irrende ist, eine Irrende in Worten und Taten. Sie verletzt, wie sie verletzt worden ist. In „On the Beach at Night Alone“ ist inmitten großer Banalitäten vieles elementar. Das Leben, die Liebe, das Altwerden – darum kreist alles. Es wird im Film Literatur zitiert, aber nicht von Walt Whitman. Man sieht nicht mal die Sterne im Film. Trotzdem passt diese Zeile aus „On the Beach at Night Alone“: „As I watch the bright stars shining, I think a thought of the clef of the universes, and of the future.“ Das tut auch dieser Film eines Meisters.

Ekkehard Knörer

Heute, 9.30 und 21 Uhr, Friedrichstadt-Palast; 12.30 Uhr, Zoo Palast; 19. 2., 19 Uhr, Haus der Berliner Festspiele

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