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Archiv-Artikel

Bemühung um Aufklärung

CHARITÉ Nach Schlagzeilen um einen Missbrauchsverdacht fürchtet die Klinik um ihren Ruf. Nun sollen mehrere Informationspannen aufgearbeitet werden

„Wir werden künftig von Mitarbeitern in sensiblen Bereichen ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis verlangen“

KARL MAX EINHÄUPL, CHARITÉ

Deutschlands größtes Uniklinikum, die Charité, sucht nach Informationschaos und Missbrauchsvorwürfen gegen einen Pfleger einen Weg aus der Krise und hat Konsequenzen angekündigt. Nach Darstellung von Charité-Chef Karl Max Einhäupl haben Versäumnisse von Kollegen zu den Kommunikationsfehlern beigetragen. Er kündigte an, Pfleger besser überprüfen zu wollen. Ein 58 Jahre alter Pfleger soll eine 16-jährige Patientin sexuell missbraucht haben.

Die Charité war massiv in die Kritik geraten, weil das Klinikum erst nach einer Woche über die Vorwürfe berichtet hatte. Nun soll ein Expertenteam um die frühere Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) von diesem Montag an die Abläufe in der Klinik überprüfen. Kommunikationsprobleme wie die an der Charité sind aus Sicht von Zypries aber nicht ungewöhnlich für große Organisationen.

Einhäupl verteidigte sich in der Berliner Morgenpost gegen Vorwürfe, er habe auf erste Hinweise zu dem Missbrauchsverdacht nicht rasch genug reagiert. Er erklärte, er sei davon ausgegangen, dass der Ärztliche Direktor und die Pflegedienstleitung dem Fall nachgingen. „Für mich war zunächst nur erkennbar, dass zwei leitende Mitarbeiter der Charité sich verantwortlich kümmern“, sagte Einhäupl. „Mir waren keine Details bekannt, es wurde mir gesagt, es sei bereits in den Händen von A. und B.“

Er selbst habe nicht gewusst, dass es sich um ein Kind und eine Patientin gehandelt habe. Er habe das nicht richtig eingeordnet. „Aber ich erwarte als Vorstandsvorsitzender, dass mir solche gravierenden Probleme in ihrer gesamten Tragweite geschildert werden“, betonte Einhäupl.

Bereits nach der Entdeckung von Darmkeimen in der Charité vor einigen Wochen war es zu Kommunikationspannen gekommen. Berlins Gesundheitssenatorin Sandra Scheeres (SPD) forderte den Charité-Vorstand nun auf, bis zum Montag einen Bericht über den Umgang mit den Missbrauchsvorwürfen vorzulegen. Polizei und Staatsanwalt ermitteln. Am Sonntag gab es dazu allerdings keine Stellungnahme der Behörden.

Die betroffene 16-Jährige konnte augenscheinlich auch noch nicht befragt werden. „Wir haben die Eltern nach wie vor nicht erreicht“, sagte eine Charité-Sprecherin. Zudem waren über eine neu eingerichtete Hotline des Klinikums womöglich neue Missbrauchsvorwürfe aufgetaucht. Die Klinik wolle einem anonymen Hinweis zu „Grenzüberschreitungen“ genauer nachgehen, hieß es. Eine Sprecherin der Charité sagte am Samstag: „Das muss man ernst nehmen. Bislang sind wir aber noch nicht weitergekommen.“ Zudem soll der 58-jährige Pfleger auch schon früher auffällig geworden sein, einen Vermerk dazu gibt es in seiner Personalakte aber nicht.

Charité-Chef Einhäupl will nun ein erweitertes Führungszeugnis einführen – das hatte zuvor bereits der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung gefordert. „Wir werden künftig von Mitarbeitern in sensiblen Bereichen ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis verlangen“, sagte Einhäupl. (dpa)