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Archiv-Artikel

Für ein paar Euro mehr

Mit abenteuerlichen Rechenkunststücken sorgt die Ausländerbehörde Flensburg dafür, dass die Ehefrau eines asylberechtigten Georgiers nicht nach Deutschland kommen darf

Von Daniel Wiese

Die Asylberechtigung war nicht das Problem von Nugzari A. Umstandslos wurde sie dem Georgier vom Bundesamt für Migration gewährt. Seit diesem Jahr hat Herr A. auch eine Arbeit gefunden, in Flensburg als Reinigungskraft. Möglich, dass er darum ein wenig übermütig wurde. Er dachte, er könnte seine georgische Frau nach Deutschland holen.

Im Prinzip muss jemandem, der den Status eines Asylberechtigten hat, der Nachzug von Familienangehörigen genehmigt werden. Es wäre Sache der deutschen Botschaft in Tiflis, der Ehefrau von Nugzari A. ein Visum auszustellen. Doch vor das Visum hat das Gesetz die Ausländerbehörde gestellt. Die prüft, ob das Einkommen ausreicht, damit kein Anspruch auf staatliche Sozialleistungen besteht.

1.462 Euro verdient Herr A. brutto. Das mag nicht viel sein, liegt aber nach Angaben seines Anwalts sogar über dem geltenden Tariflohn von 7,70 Euro in der Stunde, der im Reinigungsgewerbe gezahlt wird. Herr A. verdient 8,50 Euro.

Der Ausländerbehörde in Flensburg aber ist das zu wenig. „Die Berechnungen ergaben, dass bei Steuerklasse 1 ein Fehlbetrag von 105,94 Euro entsteht, bei Steuerklasse 3 beträgt der Fehlbetrag nur noch 14,43 Euro“, schreibt die Behörde. Wenn die Ehefrau nach Deutschland käme, wäre Herr A. Steuerklasse 3. Es geht also um 14,43 Euro, die Nugzari A. angeblich zu wenig verdient.

Wie kommt die Ausländerbehörde zu diesen Zahlen? Dem Anwalt von Herr A. wurde das nicht mitgeteilt. „Wir bitten Sie, uns diese Berechnung zugänglich zu machen, damit die Ablehnung überprüft und gegebenenfalls nachvollzogen werden kann“, schreibt der Anwalt in einem Brief an die Behörde.

Inzwischen hat die Stadt Flensburg auf Anfrage der taz ihre Berechnungen offen gelegt. Bei „einem Ehepaar ohne Kinder mit einem angenommenen Netto-Einkommen von 1.100 Euro“, heißt es in dem Schreiben, würde die Rechnung wie folgt aussehen: auf der einen Seite stünde nach den Paragrafen des Sozialgesetzbuchs ein „Gesamtbedarf“ von 922 Euro. Auf der anderen das Nettoeinkommen, dass diesen „Gesamtbedarf“ abdecken können muss.

1.100 Euro sind mehr als 922, sollte man denken. Doch so einfach ist es nicht, zumindest nicht in den Augen der Ausländerbehörde. Dort nämlich zählt nicht das blanke Nettoeinkommen, sondern das Nettoeinkommen in einer „bereinigten“ Form. Das Einkommen vermindert sich demnach beim genannten Beispiel um „Freibeträge für Erwerbstätige“ (rund 225 Euro) und eine „Pauschale für Versicherungen“ (30 Euro). Übrig blieben von den 1.100 Euro Nettoeinkommen nur noch 844,72 Euro. Zu wenig, um den „Gesamtbedarf“ zu decken.

Was dieses Manöver soll, das eher nach Steuererklärung klingt als nach verfügbarem Einkommen, konnten gestern weder die zuständigen Stellen im Kieler Innen- noch im Sozialministerium erklären. Der Anwalt von Herrn A. hat gegenüber der Flensburger Behörde vorsorglich geltend gemacht, dass sein Mandant über Nebeneinkünfte als Haushaltshilfe verfüge, die nicht angerechnet worden seien. Im selben Schreiben stellt er die Frage: „Will die Stadt Flensburg für die ausländischen Mitbürger amerikanische Verhältnisse mit 2 oder 3 Arbeitsverhältnissen einführen?“

Es sieht ganz danach aus.