„Hier liegt der Hund begraben“

Das bleibt von der Woche Die landeseigenen Wohnungsunternehmen zeigen sich als Mietpreistreiber, die Karnevalisten dürfen mit ihrem Umzug nicht auf den Breitscheidplatz, die ersten Modularen Unterkünfte für Flüchtlinge – kurz MUF – wurden bezogen, und das Festival Lollapalooza zieht es auf die Rennbahn nach Hoppegarten

Profite mit der Miete

Kommunale Unternehmen

Die Mieterhöhungen sind ein Affront gegen die neue Landes­regierung

Mehr als 21.000 Mieterhöhungen haben die landeseigenen Wohnungsunternehmen zum 1. Januar dieses Jahres ausgesprochen, nach Angaben von MieterInneninitiativen wurde die Miete dabei in vielen Fällen um mehr als 10 Prozent angehoben.

Der in dieser Woche bekannt gewordene Vorgang ist an sich schon skandalträchtig, für Aufregung sorgt er aber besonders, weil er so gar nicht zum angekündigten rot-rot-grünen Paradigmenwechsel in der Wohnungspolitik passt: Die landeseigenen Unternehmen sind die wichtigsten Partner, mit denen die neue Regierung die Mietpreisentwicklung in Berlin dämpfen will. Dazu gehört auch, dass sie die Miete künftig nur noch um maximal 2 Prozent im Jahr erhöhen dürfen – bisher waren bis zu 15 Prozent in vier Jahren möglich.

Weil diese Absicht bisher nicht in einen bindenden Vertrag zwischen dem Land und den landeseigenen Unternehmen gegossen wurde, stehen die Unternehmen rein rechtlich auf der sicheren Seite. Nichtsdestotrotz sind ihre Erhöhungen, von denen viele ausgerechnet MieterInnen im sozialen Wohnungsbau treffen, ein Affront gegen die neue Landesregierung. Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) hat nun angekündigt, die Unternehmen zur Rücknahme der Erhöhungen aufzufordern. Gelingt ihr das nicht, hat sie ein ernsthaftes Glaubwürdigkeitsproblem.

Raffgierige Unternehmen konterkarieren die ehrbaren Absichten der Landespolitik? Ganz so einfach ist es nicht. Denn dass die landeseigenen Wohnungsunternehmen so handeln, wie sie handeln, liegt im Kern daran, dass sie auf Profite aus sind – nicht anders als die privaten Immobilienkonzerne. Und das wiederum ist vom Land explizit so gewollt. Als die sechs Unternehmen im Oktober vergangenen Jahres einen Rekordgewinn von satten 352 Millionen Euro aus 2015 präsentierten, gab es dafür viel Lob vom SPD-geführten Senat für Finanzen: Nur so lasse sich das ambi­tio­nierte Neubauprogramm der kommenden Jahre finanzieren.

Hier liegt der Hund begraben. Solange die landeseigenen Unternehmen dazu angehalten sind, derartige Gewinne zu erwirtschaften, werden sie niemals Partner einer so­zialen Mietenpolitik sein, als die sie so gern präsentiert werden.

Malene Gürgen

Kein Platz für etwas Heiterkeit

Karnevalisten abgebremst

Es geht also grundsätzlich um Fragen der Trauer und der Dezenz

Zuerst einmal ein herzliches Hei-Jo! Das nämlich ist, nur zur Erinnerung, der Narrenruf der Berliner.

Jetzt könnte man durchaus einwenden, dass man das mit den Narrenrufen und überhaupt mit dem Karneval oder Fasching mal grundsätzlich überdenken sollte. Die närrische Zeit – will doch prinzipiell eine Umkehrung der allgemeinen Verhältnisse sein. Was schon seltsam wirkt als Wunsch in einer Zeit, in der die Welt einigermaßen auf dem Kopf zu stehen scheint.

Allerdings haben die Berliner Karnevalisten sowieso kein echtes Standing in der Stadt. Das wurde diese Woche aufs Neue bewiesen. Eigentlich wollten sie ihren Umzug – er soll am 19. Februar stattfinden – an der Gedächtniskirche mit der entsprechenden Party enden lassen. Was behördlicherseits des Ortes wegen für Bedenken sorgte. Und die wurden von den Karnevalisten auch gleich ohne großes Murren akzeptiert. „Das haben wir respektiert und verstehen das auch“, sagte am Donnerstag der Präsident des Festkomitees Berliner Karneval, Klaus-Peter Heimann.

Es geht natürlich darum, dass es eben an der Gedächtniskirche auf dem Breitscheidplatz diesen Anschlag gab. Zwölf Menschen starben, etwa 50 wurden verletzt. Es war am 19. Dezember des vergangenen Jahres.

Es geht also, grundsätzlicher, um Fragen der Trauer und der Dezenz, die scheinbar bedeutet, dass man an diesem Ort auch zwei Monate nach dem Anschlag etwas organisierte Heiterkeit als despektierlicher empfindet als allgemeines Shoppen.

Das Motto des diesjährigen Umzugs, der nun wohl zum Wittenbergplatz führen soll, lautet übrigens: „Sei, wer du willst!“ Man kann das auch ganz ohne Jux und Tollerei als ein erstrebenswertes Ziel betrachten. Gerade zum Trotz in dieser doch scheinbar kopfstehenden Welt.

Thomas Mauch

Modulares Wohnen als Modell

Erste MUF bezogen

Dass billig gebaut und vermietet werden kann, ein Hinweis an Investoren

Donnerstag war es so weit: Die ersten Flüchtlinge – bislang TurnhallenbewohnerInnen – bezogen in Marzahn die erste Berliner MUF. Die Gebäude mit der abwertenden Kürzelbezeichnung hatten schon im Vorfeld Aufsehen erregt. Denn die Modularen Unterkünfte für Flüchtlinge, die noch zu Zeiten eines rot-schwarzen Senats die SPD-geführte Finanzverwaltung erfunden hat, sind eine ganz andere Unterbringungsform als die lebensfeindlichen Provisorien von Sozialsenator Mario Czaja (CDU), der damals eigentlich für die Unterbringung Geflüchteter zuständig war.

Auch, weil die MUFs mehr als nur Flüchtlingsunterkünfte sein sollten. Die aus Betonplatten zusammengesetzten Modularbauten, deren innere Raumaufteilung leicht zu ändern ist, sollen, so der Plan, langfristig auch anderen BewohnerInnen als Flüchtlingen offenstehen. Da kommen einige infrage, denn die geringen Baukosten ermöglichen niedrige Mietpreise ab 6,50 Euro.

Studierende, RentnerInnen, Geringverdiener, Obdachlose und von Obdachlosigkeit Bedrohte werden sich über neue Wohnungen in diesem Preissegment freuen. Und nicht nur die, denn neue Mietverträge mit niedrigen Mieten wirken sich überall günstig gegen den Anstieg des Mietspiegels aus und bremsen so langfristig auch die Erhöhung anderer Mieten. Dass billig gebaut und vermietet werden kann, ist zudem ein Hinweis an Investoren.

Klar, Luxus bieten die MUFs nicht. Doch wer den immer mehr Menschen in Berlin, die verzweifelt nach für sie noch bezahlbarem Wohnraum suchen, unterstellt, dass sie eben zu hohe Ansprüche hätten, der hat – sorry – den Schuss nicht gehört. Den längst bekommt man selbst in Neukölln oder Spandau für 500 Euro für Einzimmerwohnungen keinen Luxus mehr. Sondern düstere, muffige Erdgeschossbutzen, saniert in den Achtzigern.

Dagegen bieten die hellen, fußbodenbeheizten Räume der neuen Modularbauten trotz schlichter Ausstattung wesentlich besseren Lebensstandard. Es wird spannend sein, wie das Interesse an den neuen Wohnungen sein wird, wenn die MUFs auch anderen BewohnerInnen offenstehen. Alke Wierth

Rocken auf der Rennbahn

Lollapalooza-Festival

Auch in Hoppegarten sind bei dem Festival keine großen Sprünge zu erwarten

Die Rennbahn Hoppegarten hat zweifelsohne eine bewegte Geschichte hinter sich. Wilhelm I. und Bismarck verfolgten dort den Galopp der Gäule, Kamele maßen sich auf der Bahn hinter der östlichen Stadtgrenze im Schnelllauf, und zu DDR-Zeiten fand ein Wettbewerb mit dem schönen Namen „Internationales Meeting der Vollblutpferde sozialistischer Länder“ statt.

Im Jahr 2017 soll mit dem Lollapalooza im September nun ein großes Musikfestival in dem Ort mit dem sprechenden Namen über die Bühne gehen. Nach den ersten beiden Ausgaben an den Standorten Tempelhofer Feld und Treptower Park, wo es beide Male Probleme gab, zieht es das Festival nun nach Brandenburg. Große Rockacts wie die Foo Fighters, Mumford & Sons und The xx sind gebucht, ebenso die Rapper Marteria und Cro, die Kölner Erfolgsband ­AnnenMayKantereit und die Beatsteaks. Mehr als 100.000 Besucher werden erwartet – und sie werden sicher auch kommen. 139 Euro muss man für beide Tage berappen.

Rennbahnbesitzer Gerhard Schöningh hat diese Woche in einem Satz gut zusammengefasst, worum es bei dem Festival geht: „Lollapalooza ist eine starke Marke im Entertainmentbereich mit interessanten Zielgruppen. Wir erwarten eine Steigerung unserer Bekanntheit wie auch neue Besucher für unsere Rennen.“

Dieser PR-Sprech offenbart alles, was das Lollapalooza Berlin – seit 2015 der erste Ableger des US-Festivals in Europa – ausmacht. Es ist eine große kommerzielle Marke, und es verpflichtet große Marken als Acts. Es ist zurechtgeschnitten auf die Zielgruppe junger, kaufkräftiger Mittelklassekids. Die ausgewählten Künstler in diesem Jahr sind alles in allem eher gähn. In den vergangenen Jahren wurden die Kuratoren darüber hinaus für ein straight white male-dominiertes Programm kritisiert – geändert hat sich nichts.

Die Chance, aus dem deutschen Lollapalooza ein heterogenes, aufregendes zeitgenössisches Festival mit eigener Sprache und Haltung zu machen, ist damit vertan, es ist ein beliebiges Festival unter vielen. Auch in Hoppegarten sind keine großen Sprünge zu erwarten. Ein Umzug des Lollapalooza wäre dann eine interessante Nachricht gewesen, wenn mit der neuen Stätte auch der Wechsel zu einem neuen, quasi vollblütigeren Spirit einhergegangen wäre. Gewonnen hat so wohl nur die anderthalb Jahrhunderte alte Rennbahn, die mit dem hippen Namen ihr Image pflegen kann. Jens Uthoff