: Die grüne Steiermark wird rot
Morgen wird in der österreichischen Steiermark gewählt. Die Linke hat gute Chancen zu einer neuen Mehrheit – und das liegt nicht zuletzt am Erfolg des kommunistischen Kandidaten Ernest Kaltenegger
AUS WIEN RALF LEONHARD
Die Steiermark, wegen ihrer Wälder gern die grüne Mark genannt, wird rot. Von diesem Albtraum wird die Landeschefin Waltraud Klasnic von der konservativen ÖVP seit einigen Wochen geplagt. Denn wenn sich das Wahlvolk morgen so verhält, wie es die Umfragen suggerieren, kann die sozialdemokratische SPÖ gemeinsam mit den Grünen und der Kommunistischen Partei (KPÖ) auf eine satte Mehrheit von rund 55 Prozent hoffen. Letztes Jahr verlor die ÖVP bereits Salzburg an die SPÖ. Der Verlust eines weiteren Bundeslandes wäre auch für Bundeskanzler Wolfgang Schüssel eine Katastrophe. Er muss sich in spätestens einem Jahr der Wahl stellen.
Bei den Landtagswahlen vor fünf Jahren war Waltraud Klasnic mit 47 Prozent noch knapp an die absolute Mandatsmehrheit herangekommen. Heute liegt sie in den Umfragen Kopf an Kopf mit ihrem sozialdemokratischen Herausforderer Franz Voves zwischen 37 und 39 Prozent. Der Ex-Eishockeyprofi und Versicherungsmanager kann sich schon als Landeshauptmann wähnen. Kräftige Zuwächse für die KPÖ und ein bescheidenes Wachstum der Grünen garantieren eine Mehrheit links der Mitte.
Der Aufschwung der Kommunisten ist der Glaubwürdigkeit ihres Spitzenkandidaten Ernest Kaltenegger geschuldet, der sich als Wohnbaustadtrat in Graz seit Jahren mit Erfolg für die Wohnqualität von Mindestrentnern, Kleinverdienern und sozial Ausgegrenzten einsetzt. Dafür setzt er sogar einen Teil seines Gehalts ein. Spötter werfen ihm vor, er meine, das K im Parteikürzel stehe für Karitas.
Auch wenn die Parteioberen dieses Engagement mit gemischten Gefühlen sehen, ist der gemütliche Kaltenegger drauf und dran, erstmals seit 1970 die Kommunisten wieder in ein Landesparlament zu bringen. In der Landeshauptstadt Graz konnte er 2003 sensationelle 20 Prozent erreichen, landesweit werden ihm 10 Prozent zugetraut. Damit wäre die KPÖ drittstärkste Kraft.
Prompt traten die ÖVP-Granden in der Steiermark an, um vor der „roten Gefahr“ zu warnen. Verstaatlichungen und eine Massenflucht des Kapitals drohten, wenn die KPÖ Einfluss auf die Landesregierung bekäme. Zwar gab auch Waltraud Klasnic zu, dass sie sich gegen kommunistische Stimmen im Landtag nicht sträuben würde, wenn sie damit ihren Posten erhalten könnte, doch einen entscheidenden Unterschied zur SPÖ gebe es schon, wie ihr Stellvertreter Hermann Schützenhöfer präzisierte: „Franz Voves würde sich ohne Zittern von Kaltenegger wählen lassen.“
Der Einbruch der einst so stolzen ÖVP ist aber weniger mit der Stärke des Gegners als mit hausgemachten Skandalen und Intrigen zu erklären. Seit letztem Jahr wankt Waltraud Klasnic von einem Fettnäpfchen ins nächste. Da war die versuchte Wiederbelebung der Autorennstrecke in Spielberg, die an der nötigen Beachtung der Umweltauflagen scheiterte. Dann deckte der Rechnungshof auf, dass die Grafenfamilie Herberstein, die ihren Tierpark und ihr Schloss aus Landesmitteln finanzieren ließ, offenbar Leistungen doppelt berechnete und Privatausgaben mit Subventionsgeldern finanzierte. Die ÖVP-Spitzen, gern auf Du und Du mit der blaublütigen Bussigesellschaft, hatten jahrelang auf Kontrolle der gräflichen Buchführung verzichtet.
Was Klasnic aber letztlich ihren Posten kosten dürfte, ist der Krach mit ihrem langjährigen engsten Vertrauten Gerhard Hirschmann, der vor sechs Jahren eigentlich als Landeshauptmann vorgesehen war, damals aber aus persönlichen Gründen zugunsten von Klasnic zur Seite trat. Er wurde später in die hoch dotierte Chefetage des landeseigenen Energiekonzerns Estag gehievt. Dort bewährte er sich zwar nicht als Manager, brachte aber den politischen Filz und die Misswirtschaft an die Öffentlichkeit. Hirschmann wurde daraufhin wieder hinauskomplimentiert, wollte sich aber den Verdienstausfall seines Fünfjahresvertrages komplett erstatten lassen. Wie erst vor kurzem bekannt wurde, bekam er nicht nur eine Abfindung von rund 750.000 Euro von der Estag, sondern zusätzlich noch 291.000 Euro, die ÖVP-Funktionäre bei befreundeten Unternehmern für den unbequemen Parteigenossen sammelten. Schweigegeld, das weitere Aufdeckungen verhindern soll, mutmaßt die Opposition. Denn Zahlung ist erst jetzt bekannt geworden, da sie weder deklariert noch versteuert wurde.
Waltraud Klasnic, deren engste Mitarbeiter die Sache eingefädelt hatten, will – wie immer wenn es stinkt – von allem nichts gewusst haben. Die Affäre schadet nicht nur ihr, sondern auch Hirschmann, der mit einer eigenen Liste antritt und hoffte, als Drittplatzierter zum Königsmacher zu werden. Inzwischen wird die Liste Hirschmann in einer Kategorie mit FPÖ und BZÖ gehandelt, die unter der Vierprozentschwelle liegen. Deswegen wird als Königsmacher voraussichtlich der freundliche Herr Kaltenegger von der KPÖ auftreten.