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Archiv-Artikel

Selbstsicher dank Waldorfschule

Absolventen von Waldorfschulen arbeiten oft im Gesundheitswesen, in Bildung und Erziehung, so lautet das Ergebnis einer aktuellen Studie. Viele sehen sich als sehr kreativ und engagiert. Doch Befragungen von Ehemaligen bergen Tücken

VON RICHARD ROMAN

Jennifer Aniston, Marie Bäumer, Sandra Bullock, Rainer Werner Fassbinder und Michael Ende waren da. Auch Cosima Shiva Hagen, Tita von Hardenberg, Thomas Koschwitz, Heiner Lauterbach, Karl Otto Pöhl, Ferdinand Alexander Porsche, Christian Quadflieg, Michael Rogowski und Harry Rowohlt. Die kursierenden Listen ehemaliger Waldorfschüler haben eines gemeinsam. Sie sind sehr lang, sehr eindrucksvoll und sehr hochkarätig besetzt. Das lässt einen staunen, denn als echte Eliteschmieden gelten Waldorfschulen kaum

Was aus ehemaligen Waldorfschülern geworden ist, ist Gegenstand vieler Medienberichte, Bücher sowie mehrerer wissenschaftlicher Untersuchungen. Gerade jetzt entsteht eine Analyse, die noch nicht veröffentlicht ist. Nach dieser Studie gehen auffällig viele Waldorf-Absolventen ins Gesundheitswesen, werden Arzt oder Krankenschwester. Der soziale Bereich mit Lehrern und Kindergärtnern sei ebenfalls überrepräsentiert, sagt Dirk Randoll, der an der privaten Kunsthochschule Alanus empirische Sozialforschung lehrt und die Befragung im Auftrag der Stiftung Software AG betreut. „Das Vorurteil, Waldorfschüler seien wenig lebenstüchtig, weil sie in einer isolierten Umgebung geschult würden, kann die Studie nicht bestätigen“, konstatiert Randoll. Nach den vorliegenden Ergebnissen müssten die Abgänger ganz im Gegenteil als „sehr selbstsichere Persönlichkeiten“, die den Willen hätten, „Dinge aktiv zu verändern“, beschrieben werden.

Ein anderes Resultat: „Kaum ein Waldorf-Absolvent fühlt sich zur Anthroposophie hingezogen“, sagt Randoll. Nur 14 Prozent kämen aus anthroposophischen Elternhäusern und fühlten sich auch nach ihrer Schulzeit von der Lehre Rudolf Steiners angesprochen. Der Sozialempiriker stützt sich auf 1.100 Bögen mit 130 Fragen zur Herkunft von Waldorfschülern, zum Schulabschluss und zur Berufsbiografie, zur Gesundheit und zur Wahrnehmung der Waldorfschule sowie zum Einfluss des Schulbesuchs auf die Persönlichkeit.

„Zieht man Bilanz“, so Randoll, „steht auf der Habenseite eine hohe Kreativität im musisch-künstlerischen Bereich sowie eine gute Persönlichkeitsentwicklung. Auf der Sollseite steht das Gefühl, in Sprachen und Naturwissenschaften den Absolventen anderer Schulformen unterlegen zu sein.“ Diese Ergebnisse würden seinen Erwartungshorizont spiegeln, sagt Randoll. Denn schon 1999 habe eine seiner Untersuchungen gezeigt, dass Waldorfschulen persönlichkeitsbildender wirkten als staatliche Schulen. Auch das Urteil, Waldorfschulen wären zu wenig leistungsorientiert und die Schüler hätten kleine fachliche Mängel, sei nicht neu.

All diese Ergebnisse beruhen auf biografischen Selbsteinschätzungen der befragten ehemaligen Waldorfschülerinnen und -schüler. Eine nicht unumstrittene Methode. „Der bildungsbiografische Ansatz hat mit empirisch basierter Leistungsmessung wie bei Pisa nichts zu tun. Rückschlüsse auf Waldorfschulen sind nicht möglich, weil andere Einflussgrößen wie das Elternhaus die Ergebnisse verzerren“, sagt Barbara Drechsel von der Kieler Koordinierungsstelle für die Pisa-Studien in Deutschland. Damit entfällt eine wesentliche Rechtfertigungsstrategie solcher Untersuchungen, die letztlich immer wieder deshalb erstellt werden, um die Leistungsfähigkeit von Waldorfschulen zu dokumentieren.

Dass der bildungsbiografische Ansatz Tücken hat, meint auch Luzius Gessler, der 1988 eine entsprechende Studie vorlegte. „Oft wird übersehen, dass der Erfolg von Waldorfschulen das Ergebnis hoch privilegierter Bildungsbiografien ist.“ Randolls aktuelle Studie belegt dies: Über 65 Prozent der Eltern haben Abitur. Gut möglich also, dass bildungsbiografische Befragungen mehr über Elternhäuser und andere Einflussgrößen aussagen als über Waldorfschulen.

Für eine exotische Blüte hält Gessler den Beitrag „Bestanden. Lebenswege ehemaliger Waldorfschüler“ von Monika Schopf-Beige. Ihr erstmals 1998 erschienener Band versammelt strukturierte Gespräche mit 19 Waldorf-Absolventen. Darunter sind Prominente wie Christian Quadflieg oder Freimut Duve ebenso wie Personen, die noch nie in der Öffentlichkeit standen. Allen gemeinsam ist, dass ihr Lebensweg subjektiv erfolgreich ist. Sie haben bestanden. Für Gessler sieht es so aus, als hätten „sich hier Waldorfschüler ein Denkmal gesetzt“. Schopf-Beige liefere „Paradepferde“. Die Interviews könnten nur für sich stehen und ließen keinerlei Rückschlüsse zu. Zu ergänzen wäre, dass das Leseerlebnis durchaus kurzweilig ist.

Notwendig seien bildungsbiografischen Studien, so Gessler, trotz aller methodischen Probleme. Denn empirisch-quantitative Leistungsstudien wie die Pisa-Tests könnten den eigentlichen Erfolg von Waldorfschulen nicht widerspiegeln. „Waldorfschulen können sich nur legitimieren, indem sie immer wieder besondere Menschen hervorbringen. Diesen Erfolg kann nur der bildungsbiografische Ansatz einfangen“, sagt Gessler. Ähnlich argumentiert Drechsel. Der bildungsbiografische Ansatz lasse „Rückschlüsse darüber zu, was Bildungsbiografien hinderlich oder förderlich ist“. Es sei nur unmöglich, den Faktor Waldorfschule zu isolieren.

Für Walter Hiller, Geschäftsführer des Bundes Freier Waldorfschulen, sind empirisch-quantitative Untersuchungen „eine, wenn auch notwendige, Erbsenzählerei“. Erziehung sei jedoch mehr. Deshalb brauchten Waldorfschulen bildungsbiografische Studien. „Verzerrungen gibt es natürlich, das ist alles hoch subjektiv“, gibt Hiller zu. Zugleich seien diese Studien alternativlos, „weil die so genannten Soft Skills von Waldorfschülern anders nicht nachzuweisen sind“.