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Gezeichnete Sprachspiele

KUNST Der vor zehn Jahren verstorbene Tomas Schmit war zwar ein wichtiger, aber wenig bekannter Fluxus-Künstler. Der Kunstverein Bremerhaven zeigt einige seiner Arbeiten

Das Haus hat eine gewisse Nähe zum Künstler: Tomas Schmit im Kunstverein Bremerhaven Foto: Kunstverein Bremerhaven

von Radek Krolczyk

Bereits der Name des Künstlers ist ein literarisches Spiel, eine Art Kurzgedicht: Tomas Schmit. Gerade so stark verändert, dass man ihn noch erkennt. Um nur zwei Buchstaben reduziert, ein Dehnungs-h und ein abschließendes d, ist der Name infrage gestellt. Er leiert zuerst beim Anschauen, und dann beim Aussprechen. Das heißt, eigentlich weiß man im ersten Moment überhaupt nicht, wie man ihn auszusprechen hätte. Dem Künstler mit dem gleichzeitig einfachen wie schwer auszusprechenden Namen widmet nun der Kunstverein Bremerhaven eine Werkschau.

Es ist nicht das erste Mal, dass seine Werke dort zu sehen sind. 2005 hatte er dort zuletzt ausgestellt. Das war ein Jahr vor seinem Tod. Darüber hinaus befinden sich in der Sammlung des Kunstvereins einige von Schmits absurden Zeichnungen, Künstlerbüchern und Editionen. Es gibt also eine gewisse Bindung zwischen dem Künstler Schmit und dem Bremerhavener Museum.

Der seltsame Titel der Ausstellung, „Bald ist wieder Schneckentreffen“, ist ebenfalls literarisch. Tatsächlich hat sich der 2006 verstorbene Tomas Schmit in seinem Werk oft mit unterschiedlichen Aspekten von Sprache beschäftigt. Sein bevorzugtes künstlerisches Mittel ist die Zeichnung.

Damit hatte der 1943 geborene Schmit eine eigenartige Position innerhalb des Kunstgeschehens der 60er- und 70er-Jahre, in denen er anfing, sein Werk zu entwickeln. Denn Sprache spielte damals zwar allgemein eine große Rolle – von den Konzeptionellen bis zu Fluxus. Die Zeichnung allerdings galt als ein eher antiquiertes und nebensächliches Medium.

In der Bremerhavener Ausstellung sieht das etwa so aus: „Utopia“ von 1975 zeigt auf 24 Blättern eine Variation des Immergleichen, einer Kreisform, möglicherweise einer abstrakten Darstellung unserer Erde. Darunter ist eine kurze Legende zu finden, eine Erklärung dessen, was sich auf diesem Planeten abspielt.

Auf einem der Blätter ist der Kreis von Wellenbewegungen durchzogen. Die Legende erklärt uns, die aufsteigenden Sequenzen stünden für Einatmen, die absteigenden für Ausatmen. Auf einem anderen Blatt stehen die jeweiligen Richtungen für richtig und falsch. Der Zusammenhang ist hier so schlüssig wie absurd. Wer würde denn bestreiten, dass es auf unserer Welt einen ständigen Wechsel von Einatmen und Ausatmen, von richtig und falsch gibt? Das Wissen, das hier behauptet wird, wirkt jedoch vollkommen nutzlos und ebenso erscheint auf einmal auch eine bestimmte Form der Darstellung von Wissen, vielleicht aber sogar bereits deren Produktion.

Zeichnungen von Tomas Schmit Foto: Privatsammlung

Überhaupt Wissenschaft: Sie ist bei Schmit immer wieder Thema. Meist anhand solcher Zeichnungen versucht er immer wieder, ganz unterschiedliche Sachverhalte zu beleuchten. Das Museum zitiert in seiner Ankündigung den Kybernetiker Prof. Dr. Valentin Braitenberg, der 1990 über Schmits Buch „Physikern und anderen Anfängern“ in einer Rezension in der Fachzeitschrift Spektrum der Wissenschaft schrieb, Schmits Buch sei ein „erster Entwurf (einer zentralen Ästhetik)“ als „Einführung in die Gehirnwissenschaft“. Schmit behandelte in seinem Buch damals solche Fragen wie „Woher weiß ein Chamäleon, welche Farbe es annehmen soll?“ Von 1987 stammt die in Bremerhaven ausgestellte Serie an Vorschlägen, die veranschaulicht, wann ein Chamäleon beim Farbwechsel übertreibt und wie es angemessen wäre.

Manche seiner Arbeiten bedienen sich jedoch sehr viel einfacherer und blöderer Sprachspiele, die dadurch jedoch keinesfalls weniger witzig sind. In einer Tischvitrine des Kunstvereins liegt das 1966 in kleiner Auflage unter einem Pseudonym veröffentlichte Künstlerbuch „Von Phall zu Phall“. Darin sieht man allerlei gezeichnete Penisse, die sich verschiedener Sprichwörter folgend verhalten. „Im Phalle eines Phalles“ etwa zeigt einen Penis, der einen Penis hat.

Schmit war ein wichtiges, aber wenig bekanntes Mitglied der deutschen Fluxus-Bewegung. 1961 lernte er Nam June Paik und George Maciunas kennen – zwei zentrale Figuren der Gruppe. Er konzipierte eigene Performances wie den „Zyklus für Wassereimer (oder Flaschen)“. Hierbei stellte er mit Wasser gefüllte Gefäße wie bei einem Ritual kreisförmig auf und goss zyklisch Wasser von einem Behälter in den nächsten. Schmit organisierte 1964 auch das Festival der neuen Kunst in der Technischen Hochschule in Aachen. Berühmt geworden ist eine Aufnahme von Joseph Beuys, mit erhobenem Kreuz und blutig geschlagener Nase. Schmit gehörte zu den zentralen Protagonisten der experimentellen Kunst der 60er-Jahre in Deutschland, die nach einer Ästhetik jenseits der bürgerlichen Normen suchte und Alltagshandlungen, Geräuschmusik und absurden Witz in die Kunst einbrachten.

Die Ausstellung ist bis zum 5. März im Kunstverein und Kunstmuseum Bremerhaven zu sehen.

Der Autor ist Betreiber der Galerie K‘.

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