piwik no script img

Berliner SzenenGefundene Botschaft

Kommafehler

Zuerst nahm ich mir den kleineren der ­beiden Zettel vor

Sehe ich einen Zettel auf der Straße liegen, kann ich nicht anders, als ihn aufzuheben. Die Spannung ist jedes Mal ähnlich groß wie bei einem Los. Gewinn oder Niete? Interessante Einblicke in anderer Leute Leben oder langweilige Rechnungen? An einem Freitag sah ich auf dem Gehweg neben meinem Wohnhaus in Friedrichshain zwei Zettel, die nur wenige Meter voneinander entfernt lagen. Ich steckte sie ein, und kaum hatte ich meine Einkäufe in die Wohnung getragen, setzte ich mich an den Küchentisch und schaute sie mir an.

Zuerst nahm ich mir den kleineren Zettel vor. Es war eine Seite von einem Abreißblock eines Kräuterlikörherstellers, auf dem jemand mit ungelenker Handschrift eine Rechnung aufgemacht hatte. Oben stand die Summe von 1.000 Euro, und darunter waren Ausgaben aufgelistet wie 60 Euro Fahrkosten und 40 Euro Strom. Imposante 100 Euro waren fürs Internet notiert, genauso viel wie fürs Auto. Ominös waren die Summen von 200 und 150 Euro, zu deren Verwendungszweck die nicht ausgeschriebenen Wörter „Staats“ und „Staatsa“ notiert waren. Zahlungen an die Staatsanwaltschaft?

Langsam entfaltete ich den zweiten Zettel. Es war ein liniertes A4-Blatt, das Einblicke in den Schulalltag lieferte, inklusive Orthografie-, Grammatik- und Kommafehler. Möglicherweise handelt es sich um einen Schüler des Georg-Friedrich-Händel-Gymnasiums, das hinter meinem Wohnhaus steht. „Falls du glaubst dass ich dir Amy wegnehmen möchte, brauchst du nicht“, las ich den ersten Satz. Der vorwurfsvollen Frage „Trägst du eigentlich jeden Tag den gleichen Rock?“ folgten zwei Klarstellungen: „Die Kette sieht scheiße aus! Und falls du glaubst das ich nicht gesehen habe was du an der Tafel geschrieben hast, hast du dich getäuscht. Da stand bzw. hast du geschrieben: Celine ist scheisse.“ Barbara Bollwahn

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen