: american pieFlucht vor den Grizzlies
Allen Iverson ist jetzt 34 Jahre alt. Er könnte durchaus noch ein paar Jahre in der NBA spielen. Doch im Moment ist Iversons Karriere unterbrochen. Er hat keinen Klub mehr, für den er spielen könnte. Die Memphis Grizzlies, für die der Basketball-Profi zuletzt aufs Parkett ging, haben sich von ihm getrennt, „einvernehmlich“, wie es in solchen Fällen heißt. Iverson hat nur drei Saisonspiele für den neuen Arbeitgeber absolviert. Alle drei gingen verloren. Nach überstandener Oberschenkelverletzung, deretwegen er die komplette Vorbereitungsphase verpasste, wurde er jeweils nur eingewechselt. Iverson hat in diesen drei Spielen insgesamt 67 Minuten auf dem Feld gestanden und 37 Punkte erzielt. So viele Treffer verbuchte er zu seinen besten Zeiten in einem Spiel.
Iverson hatte vor Saisonbeginn den Eindruck erweckt, dass er sich mit der Reservistenrolle abfinden wolle. Er hatte gesagt, dass er es zwar nicht möge, als Einwechsler ins Spiel zu kommen, „aber wenn es der Mannschaft hilft, zu gewinnen, werde ich das machen“. Iverson änderte seine Einstellung nach seinen ersten Saisonspielen für die Grizzlies. Der Starspieler moserte offen über seinen Status als Ergänzungsspieler und die geringe Spielzeit, die ihm zur Verfügung stehe. Er wollte in der ersten Fünf stehen, also in jenem Team, das zu Beginn eines Basketballspiels antritt. Iverson sah sich noch im Kreis der Elite. Kein Wunder, blickt er doch auf eine eindrucksvolle Karriere zurück. Seine Statistiken weisen ihn als einen Shooting Guard der Extraklasse aus. Er hat in 16 NBA-Spielzeiten, die jetzige mitgerechnet, im Durchschnitt 27 Punkte erzielt, vor knapp vier Jahren erzielte Iverson im Trikot von Philadelphia sogar 60 Punkte gegen Orlando. Er war eine Scoringmaschine, doch im mitunter blinden Eifer, Punkt um Punkt zu sammeln, vergaß er seine Mitspieler. Er traf zwar viel, aber er verwarf auch viel. Außerdem verlor er zu oft den Ball – und sorgte so für einen sogenannten Turnover. Im Schnitt hatte er 3,61 Ballverluste pro Spiel, Tony Parker kommt beispielsweise nur auf 2,5 pro Partie.
Charles Barkleys Aussage, Iverson sei ein sehr egozentrischer Spieler, dessen Cross-over-Dribbling nur deshalb so ungeheuer schnell sei, weil er ständig den Ball spazieren trage, bewahrheitete sich Jahr um Jahr. Als sein Ruhm in Philadelphia schwand und er nach zehn Jahren bei den 76ers immer noch keinen Titel gewonnen hatte, tingelte er von Team zu Team – nach Denver, zurück nach Philadelphia, wieder nach Denver, nach Detroit, zurück nach Denver, bis ihn schließlich Memphis einkaufte, fast möchte man sagen: sich seiner erbarmte. Der Teambesitzer der Grizzlies, Michael Heisley, ließ sich dabei vor allem von seiner Frau inspirieren, die einen Narren an dem schwierigen Charakter gefressen hatte. „Ich dachte, es würde großartig für Memphis sein“, sagte Heisley. Doch vor elf Tagen verließ Iverson das Team, um, wie es hieß, ein paar private Dinge zu regeln. Teammanager Chris Wallace hoffte noch, dass Iverson bald zurückkommen werde, am Montag aber musste der Manager erklären, dass das Kapitel Iverson bei den Grizzlies beendet ist: „Wir sind zu einer beiderseitigen Übereinkunft gekommen, den Vertrag mit Allen aufzulösen, damit beide Seiten vorankommen.“
Bis jetzt ist unklar, ob der viermalige Topscorer der NBA und 2001 zum „wertvollsten Spieler“ gewählte Iverson seine Karriere beenden oder bei einem anderen Verein unterschreiben wird. Bereits im Sommer hatten nur wenige Klubs Interesse an ihm gehabt. Die Charlotte Bobcats, die den Guard am ehesten hätten gebrauchen können, verpflichteten am Montag Stephen Jackson von den Golden State Warriors.
Iverson ist sein Bad-Guy-Image nie richtig losgeworden. Er wurde oft genug mit Dennis Rodman in einen Topf geworfen, obwohl Iverson sich gegen diese Vergleiche wehrte. Es ist sicherlich nur ein Zufall, dass in diesen Tagen auch Rodman negative Schlagzeilen schreibt. Er wurde wegen Zechprellerei festgenommen. Rodman hat sich als Raufbold und Gesetzesbrecher einen Namen gemacht. Bei Allen Iverson muss man abwarten, ob er sich fängt. Doch so mancher NBA-Fan sieht jetzt schon schwarz. „In vier, fünf Jahren wird er Hamburger braten“, schreibt Leser James West in USA Today. MARKUS VÖLKER