: Politik sagt privatem Müllmonopol den Kampf an
Der Rhein-Sieg-Kreis will nicht mehr von einer einzigen Müllfirma abhängig sein. Ab 2007 soll deshalb eine kreiseigene Müllabfuhr fahren
VON DIRK ECKERT
Nach Jahren privater Müllabfuhr hat der Rhein-Sieg-Kreis genug vom freien Markt. „Das regelt der Markt doch besser“ – dem Credo all derer, die für mehr Wettbewerb, mehr freies Unternehmertum und weniger Staatswirtschaft plädieren, glaubt derzeit im Bonner Umland keiner mehr so recht. Und so wird wohl ab dem 1. Januar 2007 die Rhein-Sieg Abfallwirtschaftsgesellschaft (RSAG), eine 100-prozentige Tochter des Kreises, die Müllwagen fahren lassen.
„Wir haben immer versucht, so viel wie möglich an Private zu vergeben“, versichert Landrat Frithjof Kühn. Doch in diesem Fall sei der Markt durch Unternehmensübernahmen praktisch nicht mehr existent: „Ein Wettbewerb bei der Müllabfuhr ist zur Zeit nicht vorhanden.“ Im Rhein-Sieg-Kreis sind es gegenwärtig nur noch zwei Unternehmen, die sich die Müllabfuhr teilen: Remondis und Sita/Wagner. Beide kamen über Fusionen und Rechtsnachfolgen an den Vertrag, der 1996 an eine Arbeitsgemeinschaft der Firmen Wagner, Güko und Broicher & Grünacher vergeben worden war.
Abhängig von Remondis
Es ist besonders die Firma Remondis, die mit ihrer marktbeherrschenden Stellung im Rhein-Sieg-Kreis den Verantwortlichen Kopfschmerzen bereitet. Die „größten und wichtigsten Verträge der RSAG“, warnt die Kreisverwaltung in einer Beschlussvorlage für den Kreistag, „liegen gebündelt bei einem Auftragnehmer (Remondis) und damit bei dem größten Abfallentsorgungsunternehmen in Deutschland. Es kann die Abfallströme im Rhein-Sieg-Kreis wesentlich steuern.“ So habe Remondis neben dem Abfuhrvertrag für den Hausmüll auch noch den Restmüllvertrag, den Sortiervertrag und den Kompostiervertrag. Die Verträge laufen noch bis Ende 2014, 2007 und 2015.
„Wir sind fast in die Situation einer Erpressbarkeit gekommen“, beschreibt der FDP-Fraktionsvorsitzende im Kreistag, Rudolf Finke, die Lage (siehe Interview). Landrat Kühn hält den Wettbewerb nicht für wiederherstellbar und will deshalb auch keine neue Ausschreibung. „Bei Ausschreibungen stoßen wir am Ende immer nur auf einen Anbieter“, weiß er aus Erfahrung.
In der Tat: 1998/99 hat der damalige Viersener Müllmogul Trienekens gleich drei Verträge zugesprochen bekommen: Sortier-, Kompostier- und Restmüllvertrag. Heute gehören sie Remondis, weil Trienekens an RWE Umwelt verkauft wurde, die wiederum an den Entsorgungsmulti Rethmann, inzwischen Remondis, ging. An den Abfuhrvertrag kam Remondis, weil Broicher & Grünacher eine Trienekens-Tochter war. Der Sortiervertrag wurde mittlerweile neu ausgeschrieben. Gewonnen hat die Ausschreibung in diesem Jahr ebenfalls Remondis.
Der Mittelstand profitiert
Wenigstens der Abfuhrvertrag soll Remondis nun abgenommen werden. Wird er bis Ende 2005 gekündigt, läuft er 2006 aus. Ab 2007 könnte dann eine neu zu gründende hundertprozentige Tochter der RSAG die Müllabfuhr übernehmen: die ARS AbfallLogistik Rhein-Sieg GmbH. Mit dem neuen Modell soll die Müllabfuhr billiger werden, verspricht die RSAG. Genauere Zahlen werden nicht veröffentlicht, aber in nichtöffentlichen Ausschusssitzungen hat die RSAG alle Kreistagspolitiker überzeugt. „Wenn wir teurer wären als Private, hätten wir das nie durchgekriegt“, sagt RSAG-Sprecher Joachim Schölzel. In dem Regionalparlament ist eine Allparteienkoalition aus Grünen, SPD, CDU, ja sogar der FDP gegen die Ausschreibung entstanden.
Dass es darum geht, Remondis aus dem Geschäft zu drängen, gibt die Verwaltung unumwunden zu. Durch seine vier Entsorgungsverträge sei das Unternehmen „wettbewerbsfähiger gegenüber anderen privaten Unternehmen“. Würde der Vertrag gekündigt, würden „insbesondere die mittelständischen Unternehmen“ profitieren: „Ihre Position wird durch ein ‚Zurückdrängen‘ des größten Entsorgungsunternehmens in der öffentlichen Abfalllogistik gestärkt“, heißt es in der Verwaltungsvorlage für den Kreistag.
Ein wettbewerbsfähiges kommunales Unternehmen stärke zudem die kommunale Selbstverwaltung, findet die Verwaltung. Sie hat ein Argument parat, das einem Handbuch für Privatisierungsgegner entnommen sein könnte: „Gewinne kommen bei richtiger Wettbewerbsfähigkeit des kommunalen Unternehmens nicht dem privaten Fremdleister, sondern dem Gebührenzahler zugute.“
Nur der neue Mann von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) in der Kölner Bezirksregierung, Regierungspräsident Hans-Peter Lindlar (CDU), ist nicht einverstanden mit dem neuen Kurs im Rhein-Sieg-Kreis. Die Abfallgesellschaft solle zu einem „sozialistischen Staatsbetrieb“ gemacht werden, schimpfte er jüngst gegenüber dem Kölner Stadt-Anzeiger. Kommunale Selbstverwaltung und ein „Konzern Stadt“ würden nicht zusammenpassen. Bis hin zu den Stadtwerken müssten alle städtischen Tochtergesellschaften privatisiert werden, forderte Lindlar.
Hürde Bezirksregierung
Tatsächlich könnte die Bezirksregierung dem Kreis noch Schwierigkeiten machen. Als Aufsichtsbehörde kann sie die Gründung der ARS untersagen. Bei der RSAG gibt man sich gelassen. Notfalls könnte die RSAG den Müll auch selbst einfahren, so ein Sprecher. „Was wir machen, ist rechtlich unproblematisch“, ist CDU-Landrat Kühn überzeugt. Müllbeseitigung sei eine kommunale Aufgabe und es sei Sache der Kommunen, ob sie diese alleine bewältigen oder Dritte hinzuziehen, meint Kühn. Er macht sich deshalb keine Sorgen wegen Lindlar. „Ich gehe davon aus, dass er das genehmigen muss.“ Regierungspräsident Lindlar zeigt sich inzwischen versöhnlicher. Wenn die Kommune den Müll billiger entsorge, sei er einverstanden, erklärte er gegenüber dem WDR-Magazin Westpol.