Torpedos oder Gartenzwerge

Die dem geplanten Schifffahrtsmuseum Peter Tamms gewidmete Aktion „Künstler informieren Politiker“ treibt bunte Blüten, die vom Rauswurf bis zum konstruktiven Dialog reichen. Bilanz des Versuchs, den aus der Mode gekommenen direkten Dialog des Bürgers mit seinem Politiker wiederzubeleben

Dietrich Rusche: „CDU-Schreiben ist kein Maulkorb“

von Petra Schellen

Einen bunten Strauß an Reaktionen hat die Aktion „Künstler informieren Politiker“ gezeitigt, die am 22. August begann und noch bis Mitte Oktober dauern wird. 127 KünstlerInnen hatten sich als „Paten“ der 121 Bürgerschaftsabgeordneten angenommen. Ihr Ziel: den persönlichen Dialog zu suchen über das mit 30 Millionen Euro vom Senat mitfinanzierte, wegen etlicher Militaria umstrittene „Internationale Maritime Museum“ Peter Tamms. Zudem wollte man jedem Abgeordneten das Buch Tamm-Tamm überreichen, in dem der Anonymus „Friedrich Möwe“ Belege für Tamms militaristische Grundhaltung liefert. Optimistisch ging also die Künstlerschaft ans Werk, um zu praktizieren, was ein bisschen aus der Mode geriet: den direkten Dialog mit dem Politiker – ein Ansinnen, das nicht alle Betroffenen zu schätzen wussten

Als spektakulärster Fall wäre da vielleicht der des CDU-Abgeordneten und Landesgeschäftsführers Christoph Ahlhaus herauszugreifen, der Ulrike Peil, Janin Bredehöft und Anja Riese am 9. September barsch der CDU-Landesgeschäftsstelle verwies. Vorausgegangen waren etliche E-Mail- und Telefonanfragen seitens der Künstlerinnen. „Wir wurden unter Hinweis auf die Nichtzuständigkeit von Herrn Ahlhaus immer wieder auf Rückrufe vertröstet, die nicht kamen“, berichtet Anja Riese. Folgerichtig fanden sie also, Ahlhaus wenigstens das Buch persönlich zu überbringen – und da sie ihn in seinem Abgeordnetenbüro nicht antrafen, radelten sie zur CDU-Geschäftsstelle. Freundlich hereingebeten und zum Warten aufgefordert wurden die drei Frauen, „und natürlich hatten wir die Hoffnung, einen Gesprächstermin vereinbaren zu können“, sagt Riese.

Doch was dann geschah, überraschte: „Sehr aufgeregt“ sei Ahlhaus nach einer Viertelstunde aus seinem Büro gestürmt – Sekretärin und mehrere Wahlhelfer waren Zeugen der Szene –, habe von „Terror“ gesprochen und ihnen Hausverbot erteilt. „Auch mit der Polizei hat er gedroht“, erzählt Riese. „Dabei haben wir ihn nur höflich begrüßt und wollten ihm das Buch geben. Wir waren total geschockt.“

Ein Augenblick, den Ahlhaus ganz anders in Erinnerung hat: Verfolgt und psychisch unter Druck gesetzt habe er sich gefühlt, sagt er zur taz. Er kenne auch andere CDU-Abgeordnete, die so empfunden hätten, die aber trotzdem „heimgesucht“ worden seien. „Diese Künstler tun doch alles, um ihre Sachen durchzudrücken“, so Ahlhaus. Angeschrien habe er niemanden. Aber jemanden bis an seinen Arbeitsplatz zu verfolgen – das grenze an „Psychoterror“. Da finde er dann auch die Drohung mit der Polizei keineswegs zu hart. Nicht umsonst habe man sich in der CDU dann auf eine gemeinsame Antwort an die Künstler geeinigt, „denn natürlich war ich bei der Entscheidung für den Verbleib der Sammlung Tamm in Hamburg nicht mit jedem Detail des Konzepts vertraut. Aber wenn ich einen Dialog anbiete, muss ich mich auch einarbeiten. Und dafür fehlt mir die Zeit.“

Warum er dies den Künstlerinnen am 9. September verschwieg, weiß man nicht. Sicher ist nur, dass wenig später besagtes CDU-Schreiben des kulturpolitischen Sprechers Dietrich Rusche bei der Künstlerschaft einging. Das Ausstellungskonzept werde „höchsten musealen und wissenschaftlichen Ansprüchen genügen“ und „keinen Raum für Kriegsverherrlichung bieten“, ist darin zu lesen. Zu dem nicht nur von der Künstlerinitiative erhobenen Vorwurf, Tamms mit vielen Militaria bestückte Sammlung spiegele seine Grundhaltung und sei für ein öffentliches Museum ungeeignet, sagt Rusche, dies seien „Vorurteile“, die jeder Grundlage und Fachkenntnis entbehrten. Von den 127 Künstlern hätten bis Mitte September „ungefähr fünf die Tamm‘sche Sammlung gesehen“. Dies habe seine Nachfrage bei Tamm ergeben, der die Namen derer, die seine Sammlung besuchen, offenbar längerfristig speichert.

Ein Maulkorb sei das CDU-Schreiben im Übrigen nicht: „Jeder CDU-Abgeordnete kann sagen und schreiben, was er mag, und einige haben das ja auch getan.“ Doch was die Exponate betreffe, bleibe er dabei: Tamm habe eine „großartige Sammlung“, und dass etwa der hiesige Kunsthallen-Direktor, Professor Uwe M. Schneede, keines davon erwerben möchte, sage über deren Qualität nichts aus. „Herr Tamm besitzt phantastische Bilder von Künstlern, die sich mit dem Thema Seefahrt befasst haben“, weiß Rusche. Er selbst sei allerdings kein Fachmann in puncto bildende Kunst. Auch den Vorwurf, Tamm zeige die Angreifer, nicht aber die Opfer von Kriegen, kann Rusche nicht nachvollziehen. Krieg gehöre eben dazu.

Eine Haltung, die der GAL-Abgeordnete Willfried Maier teilt, wie dessen künstlerische Patin Jokinen berichtet. In einen ausführlichen E-Mail-Dialog waren die beiden getreten, in dessen Verlauf Maier immer wieder auf einen kompetenten und mit realen Entscheidungsbefugnis ausgestatteten Beirat für Tamm gedrängt habe. „Dass der Mensch in der Tamm‘schen Sammlung gänzlich abwesend ist, Geschichte hier also keineswegs lebendig dargestellt wird, sah er allerdings nicht“, sagt Jokinen.

Doch Ergebnisoffenheit war und ist das Wesen echten Dialogs; das bestätigt auch der SPD-Abgeordnete Michael Neumann, der sich mit der Künstlerin Kora Jünger unterhielt. „Wir haben ein sehr konstruktives einstündiges Gespräch geführt, das durchaus selbstkritische Töne barg“, berichtet Jünger. Auch der taz gegenüber räumt Neumann ein, dass er für den Verbleib der Sammlung in Hamburg gestimmt habe, „ohne das Gesamtkonzept exakt zu kennen“. Und genau wegen dieser Unschärfe schätze er die Künstlerinitiative, „denn dies ermuntert uns, diesen Themenkomplex nochmals intensiv zu durchdenken“.

In der nächsten Sitzung des SPD-Fraktionsvorstands wolle man daher nicht nur den Verlauf der Initiative besprechen, sondern auch prüfen, ob Herr Tamm alle im Vertrag mit der Stadt formulierten Auflagen erfüllt habe. Auch der Gestaltungsspielraum des Beirats, dessen Besetzung nach internen Querelen bereits mehrmals verändert wurde, könnte Thema sein. Und obwohl Neumann nicht den Eindruck teilt, dass Tamm im Wesentlichen Militaria gesammelt habe, räumt er doch ein, dass der Vorgarten von Tamms Villa in der Elbchaussee – gespickt mit Landminen, Kanonen und einem Torpedoboot – „gewisse Rückschlüsse auf die Grundhaltung des Eigners“ zulasse.

Denn letztlich mache es natürlich einen Unterschied, ob jemand sein Domizil mit Gartenzwergen dekoriere oder mit militärischem Gerät.