: LESERINNENBRIEFE
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Eine perfide Strategie
betr.: „Die Herausforderung“ (CSU-Chef fordert neue Flüchtlingspolitik), taz vom 21. 12. 16
Es gibt wahrscheinlich keine Bezeichnung für das, was die CSU-Führung für sich selbst für die letzten Monate beansprucht. Gedankenfreiheit in einem neuen Sinne trifft es vielleicht am ehesten: Ein Kopf frei von jeglichen Gedanken. Noch weiß keiner wer der Täter von Berlin ist. Geschenkt. Wie kann man ernsthaft erklären, dass in diesem Fall irgendetwas Grundlegendes neu gedacht werden muss, wenn der Anschlag gleichzeitig als Kopie des Anschlags in Nizza gesehen werden kann?
Eine Sache ist neu: Es reicht nicht, den Verleih und Besitz von Lkws zu überwachen. Man kann auch mit der nötigen Brutalität Lkws entführen. Dazu werden sich Sicherheitsfachleute und Speditionen Gedanken machen, gegebenenfalls gibt es neue technische Möglichkeiten, hier die Sicherheit etwas zu erhöhen.
Aber die CSU will die Flüchtlingspolitik diskutieren. Sie will eine Kommission einsetzen. Wenn sie das nach Nizza nicht getan hat, warum jetzt? Diese Gefährdungsart ist einfach nicht neu und es war noch nie ausgeschlossen, dass jemand, der unter dem Flüchtlingsstatus einreist, ein Attentat begeht.
Glaubt die CSU im Ernst, wir, die wir die Aufnahme von Flüchtlingen prinzipiell unterstützen, hätten über eine solche Möglichkeit nicht nachgedacht? Glaubt sie, unsere Unterstützung ist davon abhängig, dass nicht ein einziger Mensch unter den Hunderttausenden ist, der sich außerhalb der Gemeinschaft stellt und ein brutales Attentat begeht? Wenn das so wäre, wenn das das Kleingedruckte wäre, dann bräuchte niemand die Menschenrechtscharta proklamieren, sie wäre einfach nur ein Fake. Wir nehmen Flüchtlinge auf, bis irgendetwas aus diesen Reihen passiert, dann ist Schluss. Steht das da so? Eine perfide Strategie, wenn man etwas grundlegend nicht mag.
Was hat ein Flüchtling mit einem Terroristen gemeinsam? Nichts. Normalerweise schließt sich ein Mensch durch einen Terrorakt aus der menschlichen Gemeinschaft aus. Wird ausgeschlossen. Hat sich selbst ausgeschlossen und wird richtigerweise als nicht zugehörig markiert. Nicht so die CSU. Sie gliedert einen Terroristen in eine – fremde – Gemeinschaft ein. Sogar in eine staatsübergreifende, multiethnische, multikulturelle Zufallsgemeinschaft namens „Flüchtlinge“. Eine perverse Integrationsleistung. Und dann daraus messerscharf Schlüsse ziehen. Nix gegen Flüchtlinge. Aber leider, leider. Die Gefahren.
Wer kommt auf solche Ideen? Ein Flüchtling ist ein Flüchtling. Ein Terrorist ist ein Terrorist. Es ist nicht ausgeschlossen, dass ein Flüchtling zum Terroristen wird. Aber niemand kommt als Terrorist auf die Welt. Irgendwas muss man vorher immer gewesen sein. Wir brauchen wahrscheinlich einfach mehr spezielle Polizei, bessere Ausstattung, vielleicht auch mehr Handhabe und bessere Verwaltungsstrukturen. Datenabgleiche, Identitätsfeststellungen und vieles andere mehr. Darüber können Demokraten diskutieren. Und notwendigerweise auch laut aufschreien. Es wird nicht einfach werden, aber es werden sich vernünftige Lösungen finden. Alles andere an Änderungsbedarf wird nicht aus den Fakten des Attentats abgeleitet sein.
MATTHIAS HUFNAGEL, Hamburg
Schockierendes Foto
betr.: Der Kreml schickt Ermittler“, taz vom 21. 12. 16
Schon einen Tag vor dem Artikel über den Mord an dem russischen Botschafter in der Türkei war das Foto des Mörders mit der Waffe in der Hand und dem am Boden niedergestreckten Botschafter in anderen Zeitungen veröffentlicht worden und ich war geschockt. Und frage mich, welchen zusätzlichen Informationswert dieses Foto vermitteln soll? Kennt denn die Indiskretion und Geschmacklosigkeit keine Grenzen mehr? Und heute nun dasselbe Bild in der taz! JUTTA NEUMANN, Hamburg
Ein Mörder, kein Kämpfer
betr.: „Das Mediendilemma“ von Amna Franzke,taz vom 21. 12. 16
Die Autorin musste nicht „möglichst schnell“, wie ihre Kollegen, reagieren und zum Berliner Anschlag schreiben. Sie hatte Zeit, ihre Worte zu wählen und zu überdenken. Wie kann dann so etwas passieren? „Nach Nizza, wo ein Einzelkämpfer …“ Wieso „Kämpfer“? Er war ein Mörder und nichts anderes! Zwischen diesen Begriffen liegen Welten. Ein „Dilemma“, wenn die Autorin nicht weiß , was da der Unterschied ist!
ASTRID SCHÖNFELDER, Bremen
Viel geredet, wenig gesagt
betr.: „Das Mediendilemma“, taz vom 21. 12. 16
Eine grauenvolle Tat! Doch das mediale Vorgehen finde ich nicht gut. Sicher muss über eine akute und aktuelle Gefahr berichtet werden, aber die Übertragung war eine sich wiederholende Dauerschleife im 10-Minuten-Takt. Zudem waren die meisten Aussagen (zu dem Zeitpunkt) Spekulationen. Kurzum: Es wurde viel geredet, aber nicht wirklich etwas gesagt!
JULIA ENGELS, Elsdorf
Mehr Mitgefühl, weniger Analyse
betr.: „Die Herausforderung“, taz vom 21. 12. 16
Ich verstehe, dass gegen die Instrumentalisierung von Politikern und Hassparolen ein Gegenpol ausgesprochen werden wollte, aber nicht auf der Titelseite. Mehr Mitgefühl und Solidarität mit den Trauernden und weniger Analyse hätte ich angemessen gefunden. SABINE HAMANN, Braunschweig
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