: Die Kulturkrise des Roland Koch
CDU-Kommunalpolitiker rebellieren gegen den hessischen Ministerpräsidenten – weil der Gemeinden an den Kulturausgaben der benachbarten Großstädte beteiligen will
WIESBADEN taz ■ Roland Koch, hessischer Ministerpräsident und Landesvorsitzender der Union, erlebt derzeit harte Tage. Die SPD im Landtag spricht inzwischen von „offener Rebellion“ führender CDU-Kommunalpolitiker gegen das Ballungsraumgesetz, mit dem Koch die Kommunen im Rhein-Main-Gebiet zur Zusammenarbeit auf kultureller Ebene zwingen wollte.
Ende September nämlich hatte der so genannte Rat der Regionen, in dem Vertreter der Kommunen und der Landkreise in Südhessen parteiübergreifend Angelegenheiten von regionaler Bedeutung beraten sollen, diesem „Kulturzwangsverband“ (SPD) einstimmig eine klare Absage erteilt.
Die Phalanx von Landräten, Oberbürgermeistern und Bürgermeistern der Union, die Kochs Ballungsraumgesetz ablehnen, ist in der Tat beeindruckend. Dabei gibt es durchaus Stimmen, die das Regelwerk sogar als Vorbild für andere Regionen handeln. Immerhin ist es der Versuch, einen Missstand einzudämmen: dass vielerorts Großstädte für Kultureinrichtungen zahlen, von denen auch die umliegenden Gemeinden profitieren – etwa weil ihre Bewohner die Museen und Theater der regionalen Metropole besuchen.
In Hessen sollen die Zwangsabgaben der Kommunen vor allem an Frankfurt als kulturelles Zentrum der Region fließen. Dass auch die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth Kochs Pläne durchkreuzt, dürfte diesem besonders missfallen.
Roth vermeidet den umstrittenen Weg, Gelder von den umliegenden Gemeinden einzufordern. Lieber klagt sie finanzielle Zuschüsse vom Land für das kulturelle Angebot der Stadt Frankfurt ein. Schließlich werde bei den ehemaligen Residenzstädten Kassel und Wiesbaden schon lange so verfahren, argumentiert Roth.
Noch hält Koch am Ballungsraumgesetz fest. Ohne konkrete Umsetzungsbestimmungen wird das befristete Gesetz ohnehin Ende März 2006obsolet werden. Sollten diese Ausführungserlasse von der Landesregierung vorgelegt werden, liegen die Klagen dagegen bereits in den Schubladen der Bürgermeister und Landräte. „Das kann dann Jahre dauern“, hieß es etwa im Rathaus der Stadt Flörsheim am Main.
Das CDU-regierte Flörsheim führt auch den Widerstand der Kommunen und Landkreise in Südhessen gegen den von Koch favorisierten Bau der Landebahn Nordwest am Frankfurter Flughafen an. Auch in dieser Angelegenheit versagen dem Ministerpräsidenten zahlreiche Kommunalpolitiker der Union offen die Gefolgschaft. Koch habe die „kommunale Bodenhaftung verloren“, konstatierten denn auch SPD und Grüne.
Die beiden Oppositionsparteien verweisen zudem auf die Niederlagenserie der CDU bei den Oberbürgermeister- und Bürgermeisterwahlen der letzten beiden Jahre in Hessen. In fast allen großen Kommunen – außer Frankfurt am Main und Fulda – reüssierten wieder Sozialdemokraten. Und selbst dem einst tiefschwarzen Landkreis Rheingau-Taunus steht inzwischen ein sozialdemokratischer Landrat vor.
Aus diesem Landkreis kommt auch der frisch gebackene Bundestagsabgeordnete und noch amtierende Fraktionsvorsitzende der CDU im Landtag, Franz-Josef Jung. Der von Koch protegierte und an die Spitze der Landespartei-Liste zur Bundestagswahl hochgelobte Jung will sein Mandat nur annehmen, wenn er in einer unionsgeführten Bundesregierung ein Ministeramt oder einen ähnlich bedeutsamen Posten erhält.
Diese Forderung sorgte auch an der Basis der Union für viel Unmut. Kritiker sprechen von Wählerbetrug.
KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT