: Zimt und Koriander
Würze Kräuter & Co. liegen im Trend. Aber warum schmeckt Wermut eigentlich bitter, was ist Ajowan, und wieso kann Salz manchmal ganz schön süß sein? Eine gelungene Kreuzung aus Chemiebuch und Kochatlas erklärt’s
■ „Aroma – Die Kunst des Würzens“ von Thomas A. Vilgis und Thomas A. Vierich ist im Verlag der Stiftung Warentest erschienen. Bis zum 31. 12. 2012 ist der Band noch für 34,90 Euro zu haben (ab 2013: 39,90 Euro)
■ Schubecks Welt der Gewürze dreht sich u. a. in München, Hamburg, Frankfurt/Main, Stuttgart und natürlich auch online unter www.schuhbeck-gewuerze.de.
■ „Hand Made in Berlin“ und bio-zertifiziert sind die Gewürze von Spice for Life. Da gibt es das „Berliner Chili – Metropolitan Heat“, wobei zur Currywurst wohl eher die Curry-Michung „Spicy Indian Colours“ passt. Spice for Life handelt nur im Netz (www.spiceforlife.de) und liefert bis Ende 2012 sogar versandkostenfrei.
■ Ingo Hollands Altes Gewürzamt hat Anfang Oktober ein neues Domizil im ehemaligen Teddymuseum von Klingenberg/Main (In der Alstadt 7, 63911 Klingenberg) bezogen und bietet seine „Reingewürze“ und Mischungen in den schon klassischen dunkelgrünen Dosen auch online an (www.ingo-holland-shop.de) (stg)
VON STEFFEN GRIMBERG
Es war der bayerisch-sächsische Biergipfel zu Mittweida, und „Fonsi“ war mächtig in Fahrt: Die deutsche Krankheit, zwar für einen Kleinwagen ein Vermögen auszugeben, aber dafür bei den Lebensmitteln zu knausern, regte Alfons Schubeck mächtig auf. Und erst recht das ganze verschwundene Wissen um Heil- und andere Küchenkräuter: „Wie viel frühere Generationen da wussten. Das ist heute alles weg!“ Und deshalb hat er sich nach x Jahren Sterneküche jetzt hereingefuchst, macht in Gewürzen und geht demnächst wieder nach Asien auf Jagd.
Denn Gewürze und Kräuter liegen im Trend, gerade auch als hübsches kleines Weihnachtsgeschenk – und das weit über leicht esoterisch angehauchte Hildegard-von-Bingen-Spezialitäten wie Lungenkraut und Flohsamen hinaus. Wobei dieser Trend nicht nur kulinarischer Natur ist. Natürlich kommt bei Schubeck & Co. immer mal wieder auch der schnöde kommerzielle Aspekt zum Vorschein. Gewürze gehen gut. Auch im unterfränkischen Klingenberg, wo Ingo Holland seit 2001 sein „Altes Gewürzamt“ aufgeschlagen hat. Die, sagt Holland, „erfordern Hingabe mit allen Sinnen. Sie wollen entdeckt werden – mit Nase, Augen und Zunge.“ Das ist nun einerseits ein ziemlich alter Hut. Bloß wenn man fragt, wie funktioniert denn das mit den Aromen, warum schmeckt sauer eigentlich sauer, bitter so bitter, und was war doch gleich „umami“, ist selbst in gut ausgestatteten Gewürzborden meist Fehlanzeige.
Dem hilft jetzt eine Institution ab, die bislang eher nicht im Verdacht stand, Anlaufstelle von Michelin- oder Gault-Milaut-Inspektoren zu sein: die Stiftung Warentest.
„Aroma – die Kunst des Würzens“ heißt der über 500-seitige Wälzer, der so viel mehr ist als ein Kochbuch. Denn „Aroma“ ist eine Mischung aus lesbarem Fachbuch, kinderfreundlichem Lexikon und opulent fotografierter Rezeptsammlung: Am Anfang steht der Chemie- bzw. Physikkurs, den wir alle gern gehabt hätten. Statt langweiliger Versuche mit Säuren und Basen im Erlenmeyerkolben Chemie auf unserer Haut – genauer gesagt: unserer Zunge, mit der wir natürlich nur schmecken können, während zum gesamten Genussergebnis auch die Nase unbedingt vonnöten ist. „Verglichen mit der Welt der Düfte ist Schmecken recht langweilig“, schreiben die Autoren, der Wiener Gastrojournalist Thomas A. Vierich und Thomas A. Vilgis, Leiter der Arbeitsgruppe „Molekulare Lebensmittelwissenschaften“ am Max-Planck-Institut in Mainz.
Und man ist gleich mittendrin: „Umami“, dieser 1908 erstmals von einem japanischen Chemiker nachgewiesene „neue“ Geschmackssinn fürs Fleischig-Herzhafte, ist nicht das Letzte, was die Zunge kann. Erst 2011 wurde nachgewiesen, dass unser gustatorischer Muskel auch Rezeptoren für „fett“ hat. Wobei, so die Autoren, „bislang unklar ist, ob diese Signale auch an das Gehirn weitergeleitet werden“. (Der Blick auf den kommenden Weihnachtsbauch könnte hier zumindest bei der induktiven Beweisführung helfen).
Wer sich schon immer für die Zusammenhänge von Gewürzen, Aromen und Molekularchemie interessierte, wird in den Anleitungen zu „Food-Pairing“ und „Food-Completing“ seinen kleinen Katechismus über die do’s and don’ts der möglichen Kombinationen inklusive wissenschaftlicher Erklärung finden. Und ganz nebenbei begreifen, dass auch ein gewisser Ferran Adrià nur mit – ahem: Wasser, Zitronensäure und vielleicht ganz selten mal flüssigem Stickstoff kocht. Wen das schreckt: am Ende gibt es das sehr brauchbare Gewürzregister „Was passt wozu“. Und dazu ein sehr eingängiges Farbschema nach den verschiedenen Grundaromen von „schwefelig, wachsig, grün“ bis „röstig-brotrindenartig“. Der Band liefert zudem eine knappe, aber gut lesbare und präzise Geschichte der Gewürze, des Würzens und des Gewürzhandels einmal rund um die Welt.
Und dann kommen sie: Salze, Kräuter, Algen, Körner, Pasten, Wurzeln und Früchte. Frisch, getrocknet oder gemahlen. Von A wie Ajowan, den Früchten eines in der indischen Küche beliebten Doldenblütlers, bis Z wie der jemenitischen Gewürzpaste Zhug, die als Skhug wiederum in der jüdischen Küche unverzichtbar ist. Zu jedem Gewürz gehört neben der chemischen Analyse sowie Hintergrundinformationen zu Verwendung und Kombinierbarkeit auch ein – oft ausgefallenes – Rezept: Da gibt es Hähnchenbrüste mit Mohnpanade, Lauch mit Lavendel oder vanillisierten Wirsing. Grafiken erläutern Schärfegrade der Chili-Schote von zart bis hart, Würzvarianten mit verschiedenen Sojasaucen und die Süßkraft diverser Zuckerarten.
Und weil bald Weihnachten ist, gibt es natürlich auch ganz klassische Würztipps für Bratäpfel, Gänse und Lebkuchen.