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Archiv-Artikel

Der Einfachkredit fast für alle

Ab Frühjahr 2006 hat jeder Studierende Zugriff auf einen Studienkredit von monatlich 650 Euro – fast jeder

Kommende Woche beginnt das Wintersemester 2005, und es wird das letzte mit Bettelstudenten sein. Die KfW-Bankengruppe hat ein Kreditmodell fertig in den Schubladen liegen. Es wird es Studierenden ab Frühjahr 2006 so leicht machen nie zuvor, an Bares zu kommen. Angehenden Akademiker müssen nur noch ihren Studentenausweis bei einer Bank ihrer Wahl vorzeigen, um eine Persönliche Identifikationsnummer anzufordern – dann kann das Geld fließen, maximal monatlich 650 Euro.

„Es gibt nichts zu verhandeln, nur zu beantragen“, sagte der Vorstandssprecher der KfW-Bankengruppe, Hans W. Reich, der taz. Mit dem Antrag haben StudentInnen Anrecht auf die Gewährung eines zinsgünstigen Kredits. Die KfW-Bankengruppe will das Modell unabhängig vom bisherigen Bafög gewähren, aber vielleicht in Kooperation mit den Deutschen Studentenwerken, die bisher die Bafög-Anträge bearbeiten (siehe rechts).

Bei der KfW brauchen Studierende keine Auskunft über ihre oder die Einkünfte der Eltern zu machen. Sie sollen selbst über die Bedingungen ihres Kredits bestimmen können. „Zum Beispiel können sie halbjährlich neu festsetzen, wie hoch der Studienkredit monatlich sein soll. Der Studierende legt sogar fest, wie er zurückzahlen will. Wenn er nach dem Studium arbeitslos ist, muss er gar nicht zurückzahlen“, sagte Reich. Im Normalfall allerdings ist der Kredit rückzahlbar. Bei einer Zinsbelastung von rund 5 Prozent und einer Laufzeit von zehn Semestern häuft ein Studierender bei Vollförderung von 650 Euro Schulden von rund 39.000 Euro an. Streckt er die Rückzahlung auf 25 Jahre, müsste er insgesamt 78.000 Euro an Tilgung und Zinsen aufbringen. Zum Vergleich: Bafög (auf das rund ein Drittel der Studierenden zugreift) muss nur zur Hälfte zurückbezahlt werden, die Schulden daraus sind auf 10.000 Euro begrenzt.

Während der Chef der KfW sein Kreditmodell in hohen Tönen preist, lehnen bundesweit aktive Studentenvertretungen das Leih-und-zahl-zurück-Modell rundweg ab. Der Studienkredit treibe die soziale Spaltung unter den Studierenden voran, weil er vor allem für Studierende aus gut verdienenden Elternhäusern lukrativ sei. Die würden sich das Geld leihen – und anschließend wieder anlegen, mutmaßten Vertreter des freien zusammenschlusses der studierendenschaften, fzs. Zudem werfen sie der KfW politische Einflussnahme vor. Der Kredit werde es den Bundesländern erheblich erleichtern, ihre bereits fortgeschrittenen Studiengebührenmodelle zu verwirklichen.

Auch von Interessenten an dem Kredit kommt bereits erste Kritik. Kreditbewerber berichteten der taz von engen Restriktionen, gerade für ältere Studierende. „Ich fühle mich veräppelt“, sagte etwa Pascal R. Der 33-jährige Student der Politikwissenschaften wird den Kredit nicht in Anspruch nehmen können, weil er zu alt und bereits im 17. Semester sei. Dies habe ihm die KfW auf Anfrage mitgeteilt. R. monierte, warum die KfW ihr Modell als Studienfinanzierung für alle anpreise, es in Wirklichkeit aber nur für bestimmte Gruppen wirklich bereitstelle. R. möchte mit dem Kredit sein Politikstudium in Duisburg beenden. Bei der letzten Sozialerhebung des Studentenwerks befanden sich 30 Prozent der Studierenden im 9. oder höheren Fachsemester, rund 20 Prozent waren älter als 28 Jahre.

Eine Sprecherin der KfW bestätigte die Einschränkungen für den Kredit. Die Förderung komme bis zum 10. Semester in Betracht, könne in besonderen Fällen zweimal um je zwei Semester verlängert werden. Das bedeutet, ältere Semester haben kein Anrecht auf das billige Geld. Eine feste Altersgrenze, so die Sprecherin, gebe es nicht, in der Regel werde der Kredit nur an Studierende bis zum 30. Lebensjahr vergeben. Für solche Fälle gebe es allerdings die Studienabschlussförderung (von bis zu 300 Euro monatlich), die ebenfalls von der KfW vergeben werde. Die KfW wies den Vorwurf zurück, sie stelle reichen Studierenden billiges Geld zum Wiederanlegen zur Verfügung. Es sei bei den derzeitigen Zinsen nicht möglich, das KfW-Geld gewinnbringend am Kapitalmarkt zu platzieren.

KfW-Chef Reich selbst sagte der taz: „Wir streben nicht Gewinnmaximierung an, sondern haben einen gesellschaftspolitischen Auftrag. Es ist unsere Aufgabe, den schlecht finanzierten Studierenden zu helfen.“ Es gebe derzeit viel zu wenig Studenten in Deutschland, kritisierte der Bankchef. Zwei Millionen Studierende an Hochschulen – „für eine Industrienation wie Deutschland reicht das vorne und hinten nicht“.

CHRISTIAN FÜLLER

Hinweis: siehe auch Interview vom 11.8.05 (http://www.taz.de/pt/2005/08/11/a0143.nf/text) und weitere Texte zum Thema vom 11.8.05 http://www.taz.de/pt/2005/08/11/a0141.nf/text http://www.taz.de/pt/2005/08/11/a0138.nf/text http://www.taz.de/pt/2005/08/11/a0140.nf/text