: „Ohne Schnee kommt Frust auf“
Skilanglauf Ein kleiner Verein aus Niedersachsen kämpft seit einem halben Jahrhundert für Wintervergnügen im Harz
Ihre Lauerstellung ist wirklich klug gewählt. 810 über Normalnull, mitten im Nationalpark Harz, umgeben von Loipen und Wanderwegen – dank der vereinseigenen Hütte in hoher Lage lässt sich das Warten auf den Schnee besser ertragen. „Ohne Schnee kommt Frust auf. Aber den bekämpfen wir“, sagt Lars Michel. Er führt als 1. Vorsitzender den Hildesheimer Ski Klub (HISK) an und muss in der Regel etwas weiter ausholen, um dessen Geschichte zu erklären. Hildesheim ist zwar ein schönes Städtchen, aber alles andere als schneesicher. Trotzdem hat sich hier, rund 80 Kilometer vom Harz entfernt, ein rühriger Skiklub etabliert. Er eint seit Jahrzehnten Gleichgesinnte von nah und fern, deren Leidenschaft vor allem der Skilanglauf im Harz ist.
Michel ist in den HISK und sein Amt „hineingeschlittert“, wie er sagt. Sein Vater hat zu den Gründungsmitgliedern gehört. In den Siebzigerjahren haben fleißige Freunde des Skilanglaufs im Harz Hand angelegt, so manchen Jahresurlaub geopfert und die heutige Bleibe des Vereins in Eigenleistung erbaut. Meistens ist nur von einer Hütte die Rede. Beworben wird diese als Hochmoorbaude, was deutlich attraktiver klingt. Sie ist Eigentum des Vereins und dient als Heimat im beschaulichen Örtchen Oderbrück. Hier in den Weiten eines Mittelgebirges ist die Welt wirklich noch in Ordnung – wenn genügend Schnee liegt.
Neugierige sind dem Verein grundsätzlich immer willkommen. Er bietet Skikurse an, betreibt Jugendarbeit und freut sich, wenn seine ganzjährig verpachtete Baude mit 46 Betten, Südterrasse und der obligatorischen Tischtennisplatte gut genutzt wird. Seine Übungsleiter sind erfinderisch. Falls geplante Kurse bei Schneemangel nicht stattfinden können, werden Wanderungen und Ausflüge angeboten. Und den Vereinsmitgliedern bleibt für den Fall der Fälle ein besonderer Trost. Der HISK ist Mitglied im Niedersächsischen Ski-Verband und kann deshalb auch in dessen Landesleistungszentrum in Sonnenberg auf mit Kunstschnee präparierten Loipen laufen.
Für Außenstehende mag das alles komisch klingen. Ein Skiklub aus dem Flachland, der sehnsüchtig auf Schnee hofft – ist das nicht ein recht merkwürdiges Vereinsmodell? Klubchef Michel, im richtigen Leben Landschaftsarchitekt, kennt überzeugende Antworten. Aus seiner Sicht ist die Zukunft des HISK gesichert. Das Problem, dass es nicht genügend ehrenamtliche Helfer oder Übungsleiter gibt, teile man mit vielen anderen Vereinen. Aber insgesamt sei man mit der Ausrichtung auf Breitensport und Geselligkeit in der richtigen Spur. „Wir sind ein untypischer Verein, weil wir so wetterabhängig sind. Ich nenne uns einen Zweitverein“, sagt Michel.
Die Mehrheit der HISK-Mitglieder ist auch in klassischen Vereinen außerhalb des Wintersports aktiv. Erst wenn der Winter naht und es gut geschneit hat, verschieben sich die Prioritäten. Man sei dann, wie es der Vereinsvorsitzende formuliert, mehr oder weniger freudig erregt. Für externe Gäste gilt das umso mehr. Ob aus Neugierigen, die nur temporär und wegen des Schnees zum HISK stoßen, auf lange Sicht neue Vereinsmitglieder werden, wird entspannt betrachtet. Es gehe bei der Generierung neuer Mitglieder nicht um die schnelle Unterschrift unter einen Aufnahmeantrag, sondern um die Aussicht auf ein möglichst schönes Miteinander.
Gründung: Den Hildesheimer Ski Klub (HISK) gibt es bereits seit 1960. Er hat derzeit 211 Mitglieder. Das Zentrum seines Wirkens ist die vereinseigene Hochmoorbaude im Harz-Örtchen Oderbrück.
Angebote: Skilanglauf, Skridmannlauf, Nordic Walking, Skirollerlauf, Wandern und Waldlauf.
Kontakt: Fragen zum HISK und seinen Angeboten beantworten der 1. Vorsitzende Lars Michel (E-Mail: vorstand@hisk.de) und die Internetseite www.hisk.de.
Mit der Tücke, bei starkem Schneefall ungeheuer beliebt und in milden Wintern kaum gefragt zu sein, hat sich der HSIK gut arrangiert. Die Pflege seiner leicht in die Jahre gekommenen Hochmoorbaude, deren externe Nutzung wichtig für das Vereinsbudget ist, nimmt viel Zeit in Anspruch. Bei den Verhandlungen mit Behörden wegen steigender Wassergebühren und komplexer Brandschutzauflagen sind gute Nerven gefragt. Sich als Sportverein mitten in einem Nationalpark zu behaupten, auf den engagierte Naturschützer achten, ist auch nicht langweilig.
Aber der Vereinschef ist guten Mutes für die nächsten Jahre. Dass der Klimawandel auf lange Sicht die Existenz des HISK gefährden könnte, sei nur schwer vorstellbar. „Es gibt sehr schlechte Winter. Und es gibt sehr gute Winter. Aber das ist nicht neu, sondern war vor Jahrzehnten auch schon so“, sagt Michel. Christian Otto
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